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Glühende Nacht. Artificial Lights


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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Glühende Nacht. Artificial Lights Nacht im digitalen Zeitalter. Die EU schafft die Glühlampe ab. Dabei ist es kaum hundert Jahre her, als Walter Benjamin noch das »Gaslicht der frühen Abende« besang. Ihre Ersetzung durch elektrische Straßenbeleuchtung kam ihm einem Kulturschock gleich. Dennoch gibt es Urbanität. Immer noch. Aber wie diese festhalten? Und: Gibt es einen Weg, das Medium der digitalen Photographie zu nutzen – als kongeniales Mittel im beginnenden 21. Jahrhundert? Barbara Luisi zeigt, dass es geht. Ihr neuer Bildband »Glühende Nacht. Artificial Lights« beschäftigt sich mit der Wahrnehmung von Licht in der Dunkelheit. Mehr als ein physikalischer Zustand wird gebrochen, wenn eine Lampe die Dunkelheit verdrängt. Wird in für den Menschen nicht ermessbarer Geschwindigkeit in einen anderen versetzt. Es verändert sich auch unsere Aufmerksamkeit. Verändert sich auch unser Seelenzustand? Die meist großformatigen Photos kreisen folglich um Begriffe wie die blaue Stunde, tiefe Nacht und Dämmerung. Ein kurzer Text leitet die Stimmung zu jedem Kapitel ein. Ergänzt werden die wirkungsmächtigen Aufnahmen durch einige wenige Gedichte. Diese sind wohltuend-stimmig gewählt. Sie unterstreichen die Position des Buches an der Spitze der internationalen Photo-Bildbände. Barbara Luisi macht intensive, in sich geschlossene Photobücher. Ihr voriges hieß »Nude Nature« und stellte den weiblichen Körper als autochthone Statue auf Felsen, ans Meer. Umspült von den Wellen der Brandung und dem Licht der mediterranen Sonne wurden Frauenkörper und Erde eins. Dennoch verleugneten die Photos nicht die naturgegebene Opposition zwischen beiden. Nun also die urbanen Metropolen: Rom, Paris, New York, Genua, Madrid und Wien sind Bühne der digitalen Meisterin zu Anfang des 21. Jahrhunderts. Barbara Luisi war zehn Jahre in den bedeutendsten Orchestern Europas Geigerin. Sie selbst sagt, diese Zeit habe ihr Leben geprägt. Sie habe ihr den Blick für das Wesentliche geschärft. Für den unwiederbringlichen Augenblick. Gelungen ist ihr nun so etwas wie Kontemplation im digitalen Zeitalter. Anstatt in elegischer Erinnerung zu verharren, lässt sie den endgültigen Abschied vom gerade erlebten Moment zu. Da das Licht minutenlang in die Kamera fließt, erhält der Augenblick eine Dimensions-Erweiterung. Zeitpunkt wird Zeitraum. Der Augenblick erhält damit Räumlichkeit. Statt des Ortes – etwa den Quai Voltaire an der Seine – hält die Photographin den Moment fest. Sie macht mithin nicht Paris oder Barcelona zum Thema, sondern den Augenblick an ihrem Standort. Die Photographin hält den Moment fest, der jeweils schon vergangen ist, wenn er dem Betrachter bewusst oder vielleicht nur gewahr geworden ist. Den Aufnahmen eignet Zeitbewusstsein nicht als vordergründiges Motiv, sondern als geistiges Plateau. So wird der Bildband zu einem kontemplativ-melancholischen Abschied vom jeweils vergangenen Augenblick. Die Ironie ist: Die so flüchtige Digitaltechnik hält ihn fest und lässt ihn ästhetisch-zeitgemäß bearbeitbar werden. Der Sinn für das Einmalige führt zu Unvergänglichkeit.

Nacht im digitalen Zeitalter. Die EU schafft die Glühlampe ab. Dabei ist es kaum hundert Jahre her, als Walter Benjamin noch das »Gaslicht der frühen Abende« besang. Ihre Ersetzung durch elektrische Straßenbeleuchtung kam ihm einem Kulturschock gleich.

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Dennoch gibt es Urbanität. Immer noch. Aber wie diese festhalten? Und: Gibt es einen Weg, das Medium der digitalen Photographie zu nutzen – als kongeniales Mittel im beginnenden 21. Jahrhundert? Barbara Luisi zeigt, dass es geht. Ihr neuer Bildband »Glühende Nacht. Artificial Lights« beschäftigt sich mit der Wahrnehmung von Licht in der Dunkelheit. Mehr als ein physikalischer Zustand wird gebrochen, wenn eine Lampe die Dunkelheit verdrängt. Wird in für den Menschen nicht ermessbarer Geschwindigkeit in einen anderen versetzt. Es verändert sich auch unsere Aufmerksamkeit. Verändert sich auch unser Seelenzustand?

Die meist großformatigen Photos kreisen folglich um Begriffe wie die blaue Stunde, tiefe Nacht und Dämmerung. Ein kurzer Text leitet die Stimmung zu jedem Kapitel ein. Ergänzt werden die wirkungsmächtigen Aufnahmen durch einige wenige Gedichte. Diese sind wohltuend-stimmig gewählt. Sie unterstreichen die Position des Buches an der Spitze der internationalen Photo-Bildbände.

Barbara Luisi macht intensive, in sich geschlossene Photobücher. Ihr voriges hieß »Nude Nature« und stellte den weiblichen Körper als autochthone Statue auf Felsen, ans Meer. Umspült von den Wellen der Brandung und dem Licht der mediterranen Sonne wurden Frauenkörper und Erde eins. Dennoch verleugneten die Photos nicht die naturgegebene Opposition zwischen beiden. Nun also die urbanen Metropolen: Rom, Paris, New York, Genua, Madrid und Wien sind Bühne der digitalen Meisterin zu Anfang des 21. Jahrhunderts.

Barbara Luisi war zehn Jahre in den bedeutendsten Orchestern Europas Geigerin. Sie selbst sagt, diese Zeit habe ihr Leben geprägt. Sie habe ihr den Blick für das Wesentliche geschärft. Für den unwiederbringlichen Augenblick. Gelungen ist ihr nun so etwas wie Kontemplation im digitalen Zeitalter. Anstatt in elegischer Erinnerung zu verharren, lässt sie den endgültigen Abschied vom gerade erlebten Moment zu. Da das Licht minutenlang in die Kamera fließt, erhält der Augenblick eine Dimensions-Erweiterung. Zeitpunkt wird Zeitraum. Der Augenblick erhält damit Räumlichkeit. Statt des Ortes – etwa den Quai Voltaire an der Seine – hält die Photographin den Moment fest. Sie macht mithin nicht Paris oder Barcelona zum Thema, sondern den Augenblick an ihrem Standort. Die Photographin hält den Moment fest, der jeweils schon vergangen ist, wenn er dem Betrachter bewusst oder vielleicht nur gewahr geworden ist.

Den Aufnahmen eignet Zeitbewusstsein nicht als vordergründiges Motiv, sondern als geistiges Plateau. So wird der Bildband zu einem kontemplativ-melancholischen Abschied vom jeweils vergangenen Augenblick. Die Ironie ist: Die so flüchtige Digitaltechnik hält ihn fest und lässt ihn ästhetisch-zeitgemäß bearbeitbar werden.

Der Sinn für das Einmalige führt zu Unvergänglichkeit.

geschrieben am 11.12.2008 | 436 Wörter | 2612 Zeichen

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