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Nude Nature


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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Nude Nature André Breton schrieb 1927 in »Le Surréalisme et la Peinture« über Man Ray, dieser sei bei seiner Kunst vom photographischen Abbild ausgegangen: »weit davon entfernt, ihm ganz zu vertrauen, benutzte er es nur von Fall zu Fall, je nach seinen eigenen Intentionen, je nach dem Gemeinsamen, das es uns in der Wiedergabe vermittelt«. Dadurch hätte Man Ray der Photographie »mit einem Schlage« das Positive genommen. Die Photographie habe ihre arrogante Haltung verloren, die sie sich anmaßte, »sich nämlich als das auszugeben, was sie gar nicht ist. Wenn tatsächlich eben für Raimundus Lullus ‚der Spiegel ein durchsichtiger Körper ist, der alle Erscheinungen, die ihm vorgehalten werden, in sich hineinnehmen kann’, so lässt sich das vom fotografischen Abbild nicht behaupten, das von den Erscheinungen von vornherein ein vorteilhaftes Aussehen fordert und das dann nur das Äußerste und Flüchtigste an ihnen erfasst.« Man Ray ist eines von zwei großen Vorbildern, die die Photographin Barbara Luisi explizit nennt. Nun ist ihr erster Bildband bei Böhlau/ Wien erschienen. »Nude Nature« lautet der un-eindeutige Titel. Auch er eine Besinnung auf Wortspiele, die die Surrealisten so liebten. Barbara Luisi placierte ihre weiblichen models in die Erde, in das Autochthone, wenn man so will, in der Umgebung des süditalienischen Städtchens Matera. Die Kapitel heißen Terra, Aqua, Aria. Es sind diese Naturelemente, die der Frau jeweils die Basis geben, ihren Körper damit in Schwingung bringen zu lassen. Barbara Luisi hat dabei scheinbar nichts getan. Die Künstlerin, in ihren bearbeiteten Photographien absolut präsent, - scheint dennoch bei intensiver Betrachtung zurückzutreten. Die Frauenkörper wirken IN der Erde. Sie wirken geradezu plastisch. Und die Natur, die Steine, der Himmel und das Wasser, - all das uns am Leben Erhaltende wirkt hier erst durch den Contrapart des weiblichen Aktes. Die Sonne, dieses famose Licht tut ihr Übriges hinzu. Die Szenerie wirkt statisch aufgeladen. Der Betrachter ist in den Bann gezogen der südlichen Sonne. Man spürt in der Belichtung der Aufnahmen die mediterrane Energie. Zur gleichen Zeit wie André Breton hat sich Walter Benjamin mit dem »Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« beschäftigt. Er kam zu dem Ergebnis, dass die massenweise Reproduktion eines Kunstwerkes dessen Bestand nicht tangiere, aber sein »Hier und Jetzt« entwerte. Benjamin gab dem den Begriff der Aura: Mit zunehmenden Reproduktionstechniken verflüchtige sich die Wahrnehmung des Kunstwerkes, - seine einmalige und unwiederbringliche Aura verliere an Substanz. In diese Kontextualität passt das zweite Vorbild der Künstlerin nur zu gut: Der japanische Photograph Eikoh Hosoe, der dem opulenten, quadratischen Photoband eine kurze Einleitung beisteuerte, gilt als der bedeutendste japanische Nachkriegsphotograph. Er kreierte einen völlig neuen Stil, in dem erzählerische und graphische Elemente in eine Bewusstseins-Ästhetik zerfliessen. Hosoe hat es in seinen Photos vermocht, die gegenseitige Beeinflussung von Geschehen und moderner Kunst transparenter werden zu lassen. Nicht nur sind seine Photographien beeinflusst von Gesellschaft, Zeitgeist &C. Die Werke ihrerseits geben Impulse für die Wahrnehmung der Menschen. Der Einfluss vom Man Ray und Eikoh Hosoe ist spürbar. Greifbar. So kann man Barbara Luisis Photos - im doppelten Wortsinn - sehen als quasi seismographische Abbildungen der Photokunst am Anfang des 21. Jahrhunderts, wo uns gewahr wird, wie tief die Veränderungen sein könnten, die die globale Digitalisierung nach sich zieht.

André Breton schrieb 1927 in »Le Surréalisme et la Peinture« über Man Ray, dieser sei bei seiner Kunst vom photographischen Abbild ausgegangen: »weit davon entfernt, ihm ganz zu vertrauen, benutzte er es nur von Fall zu Fall, je nach seinen eigenen Intentionen, je nach dem Gemeinsamen, das es uns in der Wiedergabe vermittelt«. Dadurch hätte Man Ray der Photographie »mit einem Schlage« das Positive genommen. Die Photographie habe ihre arrogante Haltung verloren, die sie sich anmaßte, »sich nämlich als das auszugeben, was sie gar nicht ist. Wenn tatsächlich eben für Raimundus Lullus ‚der Spiegel ein durchsichtiger Körper ist, der alle Erscheinungen, die ihm vorgehalten werden, in sich hineinnehmen kann’, so lässt sich das vom fotografischen Abbild nicht behaupten, das von den Erscheinungen von vornherein ein vorteilhaftes Aussehen fordert und das dann nur das Äußerste und Flüchtigste an ihnen erfasst.«

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Man Ray ist eines von zwei großen Vorbildern, die die Photographin Barbara Luisi explizit nennt. Nun ist ihr erster Bildband bei Böhlau/ Wien erschienen. »Nude Nature« lautet der un-eindeutige Titel. Auch er eine Besinnung auf Wortspiele, die die Surrealisten so liebten.

Barbara Luisi placierte ihre weiblichen models in die Erde, in das Autochthone, wenn man so will, in der Umgebung des süditalienischen Städtchens Matera. Die Kapitel heißen Terra, Aqua, Aria. Es sind diese Naturelemente, die der Frau jeweils die Basis geben, ihren Körper damit in Schwingung bringen zu lassen. Barbara Luisi hat dabei scheinbar nichts getan. Die Künstlerin, in ihren bearbeiteten Photographien absolut präsent, - scheint dennoch bei intensiver Betrachtung zurückzutreten. Die Frauenkörper wirken IN der Erde. Sie wirken geradezu plastisch. Und die Natur, die Steine, der Himmel und das Wasser, - all das uns am Leben Erhaltende wirkt hier erst durch den Contrapart des weiblichen Aktes.

Die Sonne, dieses famose Licht tut ihr Übriges hinzu. Die Szenerie wirkt statisch aufgeladen. Der Betrachter ist in den Bann gezogen der südlichen Sonne. Man spürt in der Belichtung der Aufnahmen die mediterrane Energie.

Zur gleichen Zeit wie André Breton hat sich Walter Benjamin mit dem »Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« beschäftigt. Er kam zu dem Ergebnis, dass die massenweise Reproduktion eines Kunstwerkes dessen Bestand nicht tangiere, aber sein »Hier und Jetzt« entwerte. Benjamin gab dem den Begriff der Aura: Mit zunehmenden Reproduktionstechniken verflüchtige sich die Wahrnehmung des Kunstwerkes, - seine einmalige und unwiederbringliche Aura verliere an Substanz.

In diese Kontextualität passt das zweite Vorbild der Künstlerin nur zu gut: Der japanische Photograph Eikoh Hosoe, der dem opulenten, quadratischen Photoband eine kurze Einleitung beisteuerte, gilt als der bedeutendste japanische Nachkriegsphotograph. Er kreierte einen völlig neuen Stil, in dem erzählerische und graphische Elemente in eine Bewusstseins-Ästhetik zerfliessen. Hosoe hat es in seinen Photos vermocht, die gegenseitige Beeinflussung von Geschehen und moderner Kunst transparenter werden zu lassen. Nicht nur sind seine Photographien beeinflusst von Gesellschaft, Zeitgeist &C. Die Werke ihrerseits geben Impulse für die Wahrnehmung der Menschen.

Der Einfluss vom Man Ray und Eikoh Hosoe ist spürbar. Greifbar. So kann man Barbara Luisis Photos - im doppelten Wortsinn - sehen als quasi seismographische Abbildungen der Photokunst am Anfang des 21. Jahrhunderts, wo uns gewahr wird, wie tief die Veränderungen sein könnten, die die globale Digitalisierung nach sich zieht.

geschrieben am 31.05.2008 | 518 Wörter | 3060 Zeichen

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