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Only Revolutions


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Informationen zum Buch
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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Only Revolutions Das 21. Jahrhundert hat endlich begonnen. In Amerika war es bereits im Jahr 2006 losgegangen. Im deutschsprachigen Raum ist es jetzt angekommen: Mark Z. Danielewskis Roman Only Revolutions ist auf Deutsch erschienen. In den USA wurde das Buch bejubelt wie dort sonst nur der Sieg der richtigen Football-Mannschaft oder die Mondlandung. Und dem Buch – besser gesagt natürlich dem Autoren – gelingt es tatsächlich, bisherige Grenzen, übliche Konventionen zu sprengen. Konventionen, von denen wir bisher gar nicht wussten, dass sie vorhanden sind. Eine dieser Konventionen ist, dass eine Geschichte von vorn nach hinten erzählt wird, die Seiten sind von vorn nach hinten bedruckt, und sie sind von vorn nach hinten nummeriert. Mark Z. Danielewski erschafft einen dreidimensionalen Roman. Die Geschichte ähnelt einem Roadmovie. Der Protagonist heißt Sam; die Protagonistin heißt Hailey. Sie lernen sich kennen, verknallen sich wohl ineinander und touren durch die Staaten. Das Buch hat zwei Anfänge, man kann es von beiden Deckeln anfangen zu lesen. Der eine Beginn ist der aus der Sicht von Sam, der andere der von Hailey. Doch damit war es dem Erneuerer der US-amerikanischen Literatur nicht getan. Als dritte Ebene fügte er noch eine historische Zeitspalte ein: Am schmalen Innenrand einer jeden Seite sind unter einem bestimmten Datum Ereignisse in stichwortartigen Formulierungen aufgezählt, die an diesem Tag passierten. Das liest sich dann so: 30. Dez. 1988 Die Präsidenten vorgeladen. 45 atomare Verteidigungsanlagen. 2 US F-14 & 2 libysche MIG-23. Chinesische & afrikanische Studenten. Chrysanthemen. Keyworths Flug 92, 47 tot. Diese Dreidimensionalität von Form und Inhalt macht das Buch herausragend. Denn sie macht den Leser in bisher ungekanntem Maß eins mit dem Geschehen. Der Belesene weiß um die literarische Kraft eines Dostojewski oder Kafka. Ihnen gelingt es durch ihre Beobachtungsgabe und Formulierungskunst, menschliche Charaktere vor dem geistigen Auge des Lesers entstehen zu lassen. Danielewski ist der poetische Magier des 21. Jahrhunderts. Ihm gelingt es, den Leser gegenüber dem Plot zum Kollaborateur zu machen. Seine Helden sind sich einig darüber, was sie wollen. Jedenfalls in den Basics: Weg von hier, eine Ortsveränderung ist das Mindeste; - ob man die Welt aus den Angeln heben kann, wird sich zeigen. Aber eigentlich – eigentlich wissen sie nichts. Am Anfang ihrer gemeinsamen Reise steht eine eher ungeschickte Begegnung, die sie ratlos macht. Genauso ergeht es dem Leser. Danielewski gelingt es quasi spielerisch - und für den Leser zunächst unmerklich – sein Publikum zum Komplizen seiner Helden zu machen. Und wie ihm dies gelingt ist nicht weniger als grandios. Das Roudmovie beginnt 1863 und endet im Jahr 2063, wobei die Erwähnung der historischen Ereignisse mit der Fertigstellung der US-Originalausgabe, dem Jahr 2004 endet. Mark Danielewski fragte seiner Leser, welches für sie die wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der vergangenen 200 Jahre sind. Es sind die von ihnen genannten Geschehnisse, die sich in Only Revolutions finden. Die Originalausgabe umfasst exakt 360 Seiten. Jede Seite hat 360 Wörter in 36 Zeilen. Die Übersetzer der deutschen Ausgabe schreiben in einer Anmerkung, sie hätten sie redlich bemüht, möglichst nahe am Original zu bleiben. Es ist ihnen tatsächlich ein Lob auszusprechen. Der Text der Handlung ist nicht leicht zu verstehen. Er erinnert oft an einen LSD-Trip. Kurze Sätze voller Blumen- und Farben-Phantasien. Jugendsprech. Straßenslang. Hoch emotional, aufgewühlt sind die teils kruden Gedanken der Protagonisten, zu deren Voyeur der Leser wird. Da platzt ein Reifen, der VW Käfer, halbleer, brettert nicht mehr durch, verlangsamt, lässt besiegt Dampf ab. Ohne Extra-Reparatur umkreise ich unseren neuerdings annullierten Trip freundlich. Obwohl ich auch Dampf ablasse! Die gute Laune hinschmeiße! Schlimmer noch, mucksmäuschenstarr nun endlich die Gefahr ermesse, die UnS verfolgt, unserer Tour entgegensteht, ein Gegensteuern, schnell zur Hand, UnS zu beherrschen, festzuhalten, und zu trennen (…) Gleich, wie man zu dem Buch steht. Ab jetzt gibt es eine Literaturgeschichte bis Only Revolutions - und eine danach.

Das 21. Jahrhundert hat endlich begonnen. In Amerika war es bereits im Jahr 2006 losgegangen. Im deutschsprachigen Raum ist es jetzt angekommen: Mark Z. Danielewskis Roman Only Revolutions ist auf Deutsch erschienen.

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In den USA wurde das Buch bejubelt wie dort sonst nur der Sieg der richtigen Football-Mannschaft oder die Mondlandung. Und dem Buch – besser gesagt natürlich dem Autoren – gelingt es tatsächlich, bisherige Grenzen, übliche Konventionen zu sprengen. Konventionen, von denen wir bisher gar nicht wussten, dass sie vorhanden sind. Eine dieser Konventionen ist, dass eine Geschichte von vorn nach hinten erzählt wird, die Seiten sind von vorn nach hinten bedruckt, und sie sind von vorn nach hinten nummeriert. Mark Z. Danielewski erschafft einen dreidimensionalen Roman.

Die Geschichte ähnelt einem Roadmovie. Der Protagonist heißt Sam; die Protagonistin heißt Hailey. Sie lernen sich kennen, verknallen sich wohl ineinander und touren durch die Staaten. Das Buch hat zwei Anfänge, man kann es von beiden Deckeln anfangen zu lesen. Der eine Beginn ist der aus der Sicht von Sam, der andere der von Hailey. Doch damit war es dem Erneuerer der US-amerikanischen Literatur nicht getan. Als dritte Ebene fügte er noch eine historische Zeitspalte ein: Am schmalen Innenrand einer jeden Seite sind unter einem bestimmten Datum Ereignisse in stichwortartigen Formulierungen aufgezählt, die an diesem Tag passierten. Das liest sich dann so:

30. Dez. 1988

Die Präsidenten vorgeladen.

45 atomare Verteidigungsanlagen.

2 US F-14 & 2 libysche MIG-23.

Chinesische & afrikanische Studenten.

Chrysanthemen.

Keyworths Flug 92, 47 tot.

Diese Dreidimensionalität von Form und Inhalt macht das Buch herausragend. Denn sie macht den Leser in bisher ungekanntem Maß eins mit dem Geschehen. Der Belesene weiß um die literarische Kraft eines Dostojewski oder Kafka. Ihnen gelingt es durch ihre Beobachtungsgabe und Formulierungskunst, menschliche Charaktere vor dem geistigen Auge des Lesers entstehen zu lassen. Danielewski ist der poetische Magier des 21. Jahrhunderts. Ihm gelingt es, den Leser gegenüber dem Plot zum Kollaborateur zu machen. Seine Helden sind sich einig darüber, was sie wollen. Jedenfalls in den Basics: Weg von hier, eine Ortsveränderung ist das Mindeste; - ob man die Welt aus den Angeln heben kann, wird sich zeigen. Aber eigentlich – eigentlich wissen sie nichts. Am Anfang ihrer gemeinsamen Reise steht eine eher ungeschickte Begegnung, die sie ratlos macht. Genauso ergeht es dem Leser. Danielewski gelingt es quasi spielerisch - und für den Leser zunächst unmerklich – sein Publikum zum Komplizen seiner Helden zu machen. Und wie ihm dies gelingt ist nicht weniger als grandios.

Das Roudmovie beginnt 1863 und endet im Jahr 2063, wobei die Erwähnung der historischen Ereignisse mit der Fertigstellung der US-Originalausgabe, dem Jahr 2004 endet. Mark Danielewski fragte seiner Leser, welches für sie die wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der vergangenen 200 Jahre sind. Es sind die von ihnen genannten Geschehnisse, die sich in Only Revolutions finden. Die Originalausgabe umfasst exakt 360 Seiten. Jede Seite hat 360 Wörter in 36 Zeilen. Die Übersetzer der deutschen Ausgabe schreiben in einer Anmerkung, sie hätten sie redlich bemüht, möglichst nahe am Original zu bleiben. Es ist ihnen tatsächlich ein Lob auszusprechen.

Der Text der Handlung ist nicht leicht zu verstehen. Er erinnert oft an einen LSD-Trip. Kurze Sätze voller Blumen- und Farben-Phantasien. Jugendsprech. Straßenslang. Hoch emotional, aufgewühlt sind die teils kruden Gedanken der Protagonisten, zu deren Voyeur der Leser wird.

Da platzt ein Reifen,

der VW Käfer, halbleer, brettert nicht

mehr durch, verlangsamt,

lässt besiegt Dampf ab.

Ohne Extra-Reparatur umkreise ich

unseren neuerdings annullierten Trip freundlich.

Obwohl ich auch Dampf ablasse!

Die gute Laune hinschmeiĂźe!

Schlimmer noch, mucksmäuschenstarr nun endlich

die Gefahr ermesse, die UnS verfolgt, unserer

Tour entgegensteht, ein Gegensteuern, schnell zur

Hand, UnS zu beherrschen, festzuhalten,

und zu trennen (…)

Gleich, wie man zu dem Buch steht. Ab jetzt gibt es eine Literaturgeschichte bis Only Revolutions - und eine danach.

geschrieben am 20.03.2012 | 623 Wörter | 3613 Zeichen

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