ISBN | 3871347299 | |
Autor | Dirk Kurbjuweit | |
Verlag | Rowohlt Berlin | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 252 | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Extras | - |
Das Ergebnis wird schon ganz zu Beginn aufgedeckt: eine Familie, Mann, Frau zwei kleine Kinder, kauft sich eine Eigentumswohnung und wird daraufhin vom Mieter des Souterrainwohnung belästigt, des Kindesmissbrauchs verdächtigt und mit Psychospielchen terrorisiert, bis der waffenliebende Vater des Ehemannes zu Besuch kommt und kurz danach liegt der Mieter erschossen in seiner Wohnung.
Was sich ab dann für den Leser eröffnet, ist zunächst ein Psychogramm des Ehemannes, Randolf Tiefenthaler. Dieser berichtet von seiner Kindheit, von seiner Ehe, seinem Beruf und von der Ohnmacht, dem Mieter der Souterrainwohnung ausgeliefert zu sein. Denn der Rechtsstaat und alle bürgerlichen Werte, auf die Tiefenthaler bisher vertrauen zu können glaubte, sind stumpfe Schwerter, solange ihm und seiner Familie keine körperliche Gewalt angetan wird. Und eine Wohnungsausweisung kann er gerichtlich nicht erwirken. Das alles wird mit der zunehmenden und wunderbar beklemmend beschriebenen Dichte der Bedrängnis, der Verzweiflung, dem Gefühl des Verrats aneinander regelrecht unerträglich, sowohl für den Protagonisten als auch für den Leser, der die ganze Ohnmacht, das fehlende Ausüben einer archaischen Männlichkeit zum Lösen von Konflikten und die zermürbenden Einschätzungen einiger sozialromantischer Besucher der Familie mit ertragen muss.
Allerdings beginnt man parallel auch, den Protagonisten nervig zu finden. Wie er in seinen Luxusproblemen vor sich hin greint, wie er tatsächlich ein Ausbund an fehlender Durchsetzungskraft und Männlichkeit ist, wie er sich einfach nichts traut und - wie auch sein Vater - lieber flieht und sich vor so vielem fürchtet. Insofern werden Prozesse der Kindheit nahtlos in die Erwachsenenwelt übertragen, der Ehemann wird zum Anti-Helden. Gegen Ende wird dann noch der Prozess gegen den Großvater Tiefenthaler vor dem Schwurgericht beschrieben, wo der Familie endlich von außen das Verständnis für die furchtbare Situation entgegengebracht wird, die sie zuvor so schmerzlich vermisst hat.
Letztendlich passt dann alles zusammen, der Großvater gesteht die Tötung, die Familie ist durch die Krise innerlich gestärkt worden und man fragt sich: und dafür 200 Seiten Roman seit dem Aufdecken des Erschießens am Anfang? Dann aber kommt eine wunderbar überraschende Wendung, die natürlich nicht verraten werden darf, die sich aber perfekt in das vorher beschriebene Psychogramm Tiefenthalers einfügen lässt und den Leser dafür entschädigt, sich viele Seiten zuvor eher auf einer Durststrecke befindlich gefühlt zu haben. Und man grinst am Ende in sich hinein und denkt: das Zitat des Buchumschlages stimmt, Kurbjuweit ist ein ganz hervorragender Erzähler. Unbedingt lesenswert!
geschrieben am 10.02.2013 | 383 Wörter | 2354 Zeichen
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