ISBN | 3938666471 | |
Autor | Joachim Fischer | |
Verlag | DOM publishers | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 300 | |
Erscheinungsjahr | 2008 | |
Extras | - |
Geht man auf der New Yorker Madison Avenue entlang, um zum legendären Morgans Hotel zu gelangen, kann es einem passieren, dass man vorbeiläuft. Der Eingang der Herberge, die als erstes Design-Hotel der Welt gilt, ist derart unauffällig, dass er eher wie ein schlichter Hauseingang wirkt, als wie der eines Luxus-Hotels. Kein Name prangt an der Fassade, es gibt weder Vordach noch nimmt einen höfliches Personal in Empfang. Im Inneren setzt sich die Nonchalance konsequent fort: Der Empfangsbereich ist in eine Wand integriert – wie ein großes Loch. In diesem gediegenen Haus fehlt die hektische Betriebsamkeit anderer Business-Hotels. Und das scheint sich auf die Gäste zu übertragen. Die meisten Handys sind auf stumm geschaltet. Anrufe werden hier angenehm diskret und leise entgegengenommen. Welcome Gentlemen!
Das Morgans wurde 1983 eröffnet. Mittlerweile ist es Gründungs-Legende und Grundstein zugleich vom Hotel-Imperium des Ian Schrager. Der ehemalige Besitzer der berühmten Diskothek »Studio 54« entwickelte zusammen mit dem Stardesigner Philippe Starck ein völlig neues Hotel-Konzept: die ästhetische Gestaltung stand im Mittelpunkt.
Inzwischen ist ein Vierteljahrhundert vergangen. Weltweit wird kaum noch ein Hotel eröffnet, dass nicht den Anspruch auf »Design« reklamiert. Damit reagierte die Branche auf eine dramatische Entwicklung. Sie war gekennzeichnet durch seit Beginn des Jahrtausends stetig sinkende Auslastungszahlen, Umsätze und Renditen. Als wesentliche Ursache wurde der Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 genannt. Aber auch die alljährliche Steigerung des weltweiten Bettenangebotes machten dem einzelnen Hotelier zu schaffen.
Hotelketten wie Einzelhoteliers haben den Erfolgsfaktor Design-Hotel für sich entdeckt, der damit von einer Nische beinahe zum Trend geworden ist. Doch es gibt hierbei immense Unterschiede. Auf welch hohem ästhetischen Niveau sich einige Neueröffnungen der jüngsten Zeit bewegen, macht das Buch »Contemporary Hotel Design« deutlich. Vorgestellt werden fünf Dutzend außergewöhnlich konsequent durchgestylte Quartiere. Sie alle haben die Gemeinsamkeit, zwischen Ende 2006 und Anfang 2007 eröffnet worden zu sein. Der großformatige Band ist anspruchsvoll und großzügig gestaltet: Jedem Haus werden mehrere Seiten gewidmet, mit teils ganzseitigen Photos. Diese sind für ein Buch über dieses Sujet von außergewöhnlicher Sichtweise und Qualität: Den Bildern gelingt es tatsächlich, ein Raumgefühl des jeweiligen Hotelzimmers zu vermitteln. Mehr kann ein solches Photo nicht erreichen. Der Betrachter erahnt, womit ihm die Einrichtung für einige Tage ZU HAUSE sein möchte. Die Photos wurden von den Architekten und Hotels zur Verfügung gestellt und vom Autoren Joachim Fischer ausgewählt. Er schrieb zu jedem Gästehaus einen kurzen Text, der die Essenz von dessen Fluidum in Worte fasst.
Man mache folgenden Test: Der Leser blättere das Buch durch und betrachte die Bilder - ohne die Beschreibung des Hotels zu lesen. Er wird etwas Erstaunliches erfahren. Bei den Hotels ist weltweit eine gewisse Art von Urbanität eingezogen. Man weiß nicht mehr, ob dies Haus nun in Frankfurt am Main, Sidney oder Miami steht. Das bedeutet wiederum nicht, dass jeder Stil überall erlaubt ist oder praktiziert würde. Im Gegenteil. Eine profunde Folge dieser Urbanisierung von Ästhetik ist an manchen Orten die Herausformung von Traditionellem und dessen kongeniale Hinüberrettung ins Heute. Als ein Beispiel - pars pro toto - sei genannt das Falconara Charming House & Resort in Falconara, Italien. Der Hotelkomplex in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer normannischen Festung besteht aus zwei Gebäuden. Eines davon, die Fattoria, ist die einstige Außenstelle der Burg. Sie liegt direkt am Meer. Der Leser ahnt, wie er hier nächtigen wird…
Das opulente Buch hebt sich wohltuend von der Modeflut der Design-Hotel-Bücher ab. Man schenke es der Gattin (oder dem Gatten?) und lasse sich überraschen, zu welchem Wohlfühl-Wochenende für Ästheten man daraufhin eingeladen wird. Bon voyage!
geschrieben am 26.09.2008 | 578 Wörter | 3525 Zeichen
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