ISBN | 3839811694 | |
Autor | Rachel Joyce | |
Verlag | Argon | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | - | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Extras | - |
Wochenlang auf den Bestsellerlisten und dazu ein Klappentext, der als Story mehr als unglaubwürdig klingt - das ist eigentlich Grund genug, ein Buch nicht zu lesen. Aber die Variante als Hörbuch, gerade weil Heikko Deutschmann der Sprecher ist, war dann doch attraktiv. Allerdings haben sich, zumindest aus meiner Sicht, die negativen Vorahnungen bestätigt, die ich mit dem Buch verbunden habe.
Worum geht es? Der Rentner Harold Fry, ein in sich gekehrter Mann mit langweiligem Leben und früherem selbst gewählt langweiligen Arbeitsleben, erhält eines Morgens einen Brief einer ehemaligen Arbeitskollegin Queenie, die in einem Hospiz in Nordengland, ca. 1000 km entfernt, im Sterben liegt und sich an ihn erinnert und ihm gewissermaßen Lebwohl sagt. Er ist erschüttert darüber, setzt eine kurze Antwort auf und will diese in den Postkasten werfen, entscheidet sich aber dann - warum auch immer - dazu, zum immer nächsten Postkasten zu laufen, vielleicht weil sein Leben ja ohnehin nichts mehr Aufregendes zu bieten hat. An einer Tankstelle kommt er ins Gespräch mit einer jungen Angestellten, die ihm davon berichtet, dass eine Tante angeblich eine Krebserkrankung überwunden habe, weil sie an etwas bestimmtes geglaubt habe. Da fasst Fry den Entschluss, zu seiner Kollegin zu laufen, informiert sie telefonisch und brieflich darüber und fordert sie auf, durchzuhalten, bis er bei ihr einträfe. Schon diese Wendung bzw. der Start in die Geschichte ist höchst mühsam nachzuvollziehen und auch im Weiteren werden viele Dinge den Leser, der doch eine gewisse Nachvollziehbarkeit erwarten würde, enttäuschen, etwa wie denn so ein alter Mann drei Monate quer durch England laufen kann, ohne vorher in irgendeiner Weise sportlich tätig zu sein, ohne dabei ernsthaft zu erkranken und anderes. Aber gut, es ist Fiktion und dient nur den Weihen höherer Erkenntnis des Laufenden und der Lesenden.
Auf der Reise lernt Fry viele Menschen kennen, bemerkt, dass hinter deren Fassade Geschichten, Unglück und anderes steckt, wird als „Pilger“ bezeichnet, findet ungewollt Anhänger und Mitläufer, es entwickeln sich höchst menschliche Prozesse in der Gruppe, sodass er sich letztendlich von der Gruppe absetzt und alleine zum Hospiz läuft. Immer wieder muss er seine Entscheidung hinterfragen, Zweifel überwinden, allerlei Erinnerungen verarbeiten und sein Leben psychisch auf Vordermann bringen. Natürlich neben all den körperlichen Strapazen, dem Schlafmangel, dem Sauberkeitsmangel, dem Nahrungsmangel etc. Dabei kommt sukzessive zum Vorschein, dass seine Kindheit schlimm war, die Ehe zerrüttet scheint, dass er und seine Frau nicht mehr kommunizieren, dass er kein gutes Verhältnis zu seinem Sohn aufbauen konnte, der sich dann auch depressiv und alkoholkrank im Gartenschuppen erhängte. Dieses Ereignis machte Fry rasend, er begann zu trinken, zerschlug Porzellanfiguren seines Arbeitgebers und nur weil die Arbeitskollegin damals die Schuld auf sich nahm und gefeuert wurde, blieb dies für Fry ohne äußerliche Konsequenzen - außer, dass er sich nie dafür bei ihr bedankt hatte, was er nun mit großen Entschuldigungen und dem Fußmarsch nachholen will. Am Ende kommt natürlich alles viel weniger pompös daher, er findet ein fast lebloses, vom Krebs gezeichnetes altes Wesen vor, dass ihn nur anblinzeln kann, bevor er rasch wieder geht. Immerhin finden er und seine Frau wieder zusammen, die sich durch seine Abwesenheit auch ihrem beinahe gescheiterten Leben stellen musste und so bemerkte, dass es doch mit Fry besser ist als ohne ihn.
Die Lesung durch Deutschmann ist akustisch ein Genuss, hat aber natürlich den Nachteil, dass man die unglaubliche Langsamkeit und Verstocktheit von Fry live aushalten muss, anstelle, wie man das im Buch könnte, dessen quälend langen Selbstzweifel, die ewige Verzagtheit und das ständige Schweigen, Vermeiden und Zurückzucken genervt zu überlesen. Leider muss man gerade bei einer Nutzung im Auto die Lautstärke sehr hoch drehen, denn Deutschmann liest teilweise, der Stelle im Buch durchaus angemessen, so leise, dass man Schwierigkeiten hat, das Gesagte gegen das Motorgeräusch zu verstehen.
Letztendlich ist es mir, gerade angesichts der Einfachheit der vermittelten Botschaften und der zähen Dramatik des Buches, unverständlich, wie diesem Werk so ein langer Erfolg beschieden sein konnte.
geschrieben am 28.09.2012 | 642 Wörter | 3728 Zeichen
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