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In finsteren Himmeln


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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

In finsteren Himmeln Es passiert bisweilen, dass man einen Roman, immerhin mehr als 450 Seiten stark, gelesen hat, und doch wichtige Fragezeichen bleiben. Und das, obwohl der Roman so geschrieben ist, dass einem beim Lesen nicht langweilig wurde, mit flĂŒssiger Sprache, manchmal kargen, aber pointierten Dialogen, mit sich entwickelnden Figuren und aufgedeckten Wahrheiten und Halbwahrheiten, WĂŒnschen und geplatzten TrĂ€umen. Das Fragezeichen besteht - jedenfalls bei mir - in zwei Punkten: erstens: was soll der Titel? Der Inhalt des Buches gibt hierzu keinen Aufschluss, der Titel bleibt als mehr oder weniger abstrakte Metapher stehen, wenngleich es gegen Ende des Romans einen kleinen sprachlichen Konnex gibt. Zweitens: worauf will der Roman eigentlich hinaus? das ist mir ebenfalls bis zum Schluss nicht recht klar geworden. Insofern stehe ich vor dem irritierenden Ergebnis, dass wĂ€hrend der LektĂŒre eine Erwartung aufgebaut wird, die am Ende einfach gar nicht erfĂŒllt wird. Worum geht es? In einem nicht nĂ€her genannten Kurort in der Schweiz, wohl am Genfer See - auf dem Cover des Buches abgebildet ist das Bild „Genfersee bei Chamby“ von Ferdinand Hodler, 1906 - befinden sich eine kurze Weile nach dem Ende des ersten Weltkriegs, also im spĂ€ten Herbst 1919, zwei junge Damen aus England. Dies sind Elizabeth Mortlake und ihre SchwĂ€gerin Mary, beide aus Oxford angereist. Sie wollen sich in der kleinen und von See und Bergen nahezu abgeschlossenen Schweizer Stadt davon erholen, dass Michael, Marys Ehemann und Elizabeths Bruder, im Krieg gefallen ist. Nicht nur das ĂŒberwiegende Hotelpersonal, auch die anderen lokalen BerufstĂ€tigen, etwa die Mary behandelnden Ärzte oder Taxifahrer, kommen dabei nicht gut weg: auf ihren Verdienst versessene, unangenehme Zeitgenossen - und das, obwohl der Ort vom Tourismus lebt. Zudem ist die Gesellschaft vor Ort am Ende der Saison nicht berauschend: vor allem ein von sich ĂŒberzeugter Deutscher mit Frau und langweiliger Tochter zeigt immer wieder Geselligkeitsinteresse gegenĂŒber den beiden jungen EnglĂ€nderinnen. Der Krieg ist aber in den Köpfen noch lĂ€ngst nicht vorbei, dies manifestiert sich in GesprĂ€chen, Gedanken, Vorbehalten, Gesten, und wird immer wieder schön herausgearbeitet oder zwischen den Zeilen verborgen. Mary versinkt mehr und mehr in ihrer Trauer, verweigert das Essen und muss schließlich in eine Spezialklinik vor Ort eingewiesen werden, ohne dass es einen wesentlichen Fortschritt gegeben hĂ€tte. Mit letzter Kraft tritt sie vor dem herannahenden Winter die Heimfahrt nach Oxford an. Elizabeth hingegen lernt einen zunĂ€chst geheimnisvollen Captain Jameson kennen, der eines Tages im Speisesaal des Hotels auftaucht und dort fĂŒr ein wenig Wirbel sorgt. Schon bald wird klar: scheinbar jeder im Ort kennt den mysteriösen EnglĂ€nder. Elizabeth erfĂ€hrt zunĂ€chst, dass er wohlhabend ist und mit seltenen BĂŒchern und Manuskripten handelt - jedenfalls vordergrĂŒndig. Nach und nach erfĂ€hrt sie aber zum einen seine wahre GeschĂ€ftstĂ€tigkeit - das Herstellen und Verbreiten pornographischer Fotos. Dabei sind zahlreiche junge MĂ€dchen des Dorfes eingebunden, die sich so einen Zusatzverdienst sichern und dementsprechend in der Gunst der doppelgesichtigen Bevölkerung sinken, die sich ihrerseits natĂŒrlich am Reiz des Verbotenen durch GerĂŒchte und Nachrede berauscht. Zum anderen lernt sie die außerhalb der Stadt liegenden Institutionen des englischen MilitĂ€rkrankenhauses und des daneben liegenden Klosters kennen, mit und auf Einladung von Jameson. Im Krankenhaus liegt ein guter Freund von Jameson, Hunter, dem in England noch das Kriegsgericht wegen Sabotage der eigenen Truppen droht. Dessen nahender Abtransport lĂ€sst Jameson verzweifeln. Dazu gibt es den plastischen Chirurgen Sinclair, der verunstalteten Soldaten neue Gesichtspartien verschafft und das Ganze mit Fotografien dokumentiert - wiederum ĂŒber Jameson und seinen Partner Emil. Weitere Rollen spielen noch die gute Seele des Klosters, die alte Ordensschwester Margaret, eine auf Elizabeth wegen ihrer plötzlichen NĂ€he zu Jameson eifersĂŒchtige Novizin Ruth, und weitere weniger wichtige Gestalten wie den Befehlshaber vor Ort Cox, einen jungen Soldaten namens Mitchell und andere. Die Nachwehen des furchtbaren ersten Weltkriegs auf diese Weise zu erleben ist beklemmend und berĂŒhrend, auch die erst langsam bröckelnden gesellschaftlichen Grenzen werden in der Kleinstadt auf eine harte Probe gestellt. Welche GefĂŒhle sind erlaubt, welche hat man ĂŒberhaupt noch? In welchem Umfang darf man nach den Kriegsereignissen moralisch ĂŒberhaupt noch Dinge hinterfragen? Elizabeth ist auf der Suche nach einem neuen Sinn, auf der Suche nach sich selbst, sie gewinnt schmerzhafte Erkenntnisse, muss sich von der Vergangenheit, aber auch von der Gegenwart in Form ihrer SchwĂ€gerin lösen. Aber ob des offenen Endes bleibt der Leser wie oben geschrieben etwas ratlos zurĂŒck. Es mag ja sein, dass der Weg der Selbsterkenntnis von Elizabeth das Ziel sein sollte, aber fĂŒr einen so langen Roman war mir das am Ende ein wenig zu dĂŒnn - obgleich er wirklich gut geschrieben ist.

Es passiert bisweilen, dass man einen Roman, immerhin mehr als 450 Seiten stark, gelesen hat, und doch wichtige Fragezeichen bleiben. Und das, obwohl der Roman so geschrieben ist, dass einem beim Lesen nicht langweilig wurde, mit flĂŒssiger Sprache, manchmal kargen, aber pointierten Dialogen, mit sich entwickelnden Figuren und aufgedeckten Wahrheiten und Halbwahrheiten, WĂŒnschen und geplatzten TrĂ€umen.

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Das Fragezeichen besteht - jedenfalls bei mir - in zwei Punkten: erstens: was soll der Titel? Der Inhalt des Buches gibt hierzu keinen Aufschluss, der Titel bleibt als mehr oder weniger abstrakte Metapher stehen, wenngleich es gegen Ende des Romans einen kleinen sprachlichen Konnex gibt. Zweitens: worauf will der Roman eigentlich hinaus? das ist mir ebenfalls bis zum Schluss nicht recht klar geworden. Insofern stehe ich vor dem irritierenden Ergebnis, dass wĂ€hrend der LektĂŒre eine Erwartung aufgebaut wird, die am Ende einfach gar nicht erfĂŒllt wird.

Worum geht es? In einem nicht nĂ€her genannten Kurort in der Schweiz, wohl am Genfer See - auf dem Cover des Buches abgebildet ist das Bild „Genfersee bei Chamby“ von Ferdinand Hodler, 1906 - befinden sich eine kurze Weile nach dem Ende des ersten Weltkriegs, also im spĂ€ten Herbst 1919, zwei junge Damen aus England. Dies sind Elizabeth Mortlake und ihre SchwĂ€gerin Mary, beide aus Oxford angereist. Sie wollen sich in der kleinen und von See und Bergen nahezu abgeschlossenen Schweizer Stadt davon erholen, dass Michael, Marys Ehemann und Elizabeths Bruder, im Krieg gefallen ist. Nicht nur das ĂŒberwiegende Hotelpersonal, auch die anderen lokalen BerufstĂ€tigen, etwa die Mary behandelnden Ärzte oder Taxifahrer, kommen dabei nicht gut weg: auf ihren Verdienst versessene, unangenehme Zeitgenossen - und das, obwohl der Ort vom Tourismus lebt. Zudem ist die Gesellschaft vor Ort am Ende der Saison nicht berauschend: vor allem ein von sich ĂŒberzeugter Deutscher mit Frau und langweiliger Tochter zeigt immer wieder Geselligkeitsinteresse gegenĂŒber den beiden jungen EnglĂ€nderinnen. Der Krieg ist aber in den Köpfen noch lĂ€ngst nicht vorbei, dies manifestiert sich in GesprĂ€chen, Gedanken, Vorbehalten, Gesten, und wird immer wieder schön herausgearbeitet oder zwischen den Zeilen verborgen. Mary versinkt mehr und mehr in ihrer Trauer, verweigert das Essen und muss schließlich in eine Spezialklinik vor Ort eingewiesen werden, ohne dass es einen wesentlichen Fortschritt gegeben hĂ€tte. Mit letzter Kraft tritt sie vor dem herannahenden Winter die Heimfahrt nach Oxford an.

Elizabeth hingegen lernt einen zunĂ€chst geheimnisvollen Captain Jameson kennen, der eines Tages im Speisesaal des Hotels auftaucht und dort fĂŒr ein wenig Wirbel sorgt. Schon bald wird klar: scheinbar jeder im Ort kennt den mysteriösen EnglĂ€nder. Elizabeth erfĂ€hrt zunĂ€chst, dass er wohlhabend ist und mit seltenen BĂŒchern und Manuskripten handelt - jedenfalls vordergrĂŒndig. Nach und nach erfĂ€hrt sie aber zum einen seine wahre GeschĂ€ftstĂ€tigkeit - das Herstellen und Verbreiten pornographischer Fotos. Dabei sind zahlreiche junge MĂ€dchen des Dorfes eingebunden, die sich so einen Zusatzverdienst sichern und dementsprechend in der Gunst der doppelgesichtigen Bevölkerung sinken, die sich ihrerseits natĂŒrlich am Reiz des Verbotenen durch GerĂŒchte und Nachrede berauscht. Zum anderen lernt sie die außerhalb der Stadt liegenden Institutionen des englischen MilitĂ€rkrankenhauses und des daneben liegenden Klosters kennen, mit und auf Einladung von Jameson. Im Krankenhaus liegt ein guter Freund von Jameson, Hunter, dem in England noch das Kriegsgericht wegen Sabotage der eigenen Truppen droht. Dessen nahender Abtransport lĂ€sst Jameson verzweifeln. Dazu gibt es den plastischen Chirurgen Sinclair, der verunstalteten Soldaten neue Gesichtspartien verschafft und das Ganze mit Fotografien dokumentiert - wiederum ĂŒber Jameson und seinen Partner Emil. Weitere Rollen spielen noch die gute Seele des Klosters, die alte Ordensschwester Margaret, eine auf Elizabeth wegen ihrer plötzlichen NĂ€he zu Jameson eifersĂŒchtige Novizin Ruth, und weitere weniger wichtige Gestalten wie den Befehlshaber vor Ort Cox, einen jungen Soldaten namens Mitchell und andere.

Die Nachwehen des furchtbaren ersten Weltkriegs auf diese Weise zu erleben ist beklemmend und berĂŒhrend, auch die erst langsam bröckelnden gesellschaftlichen Grenzen werden in der Kleinstadt auf eine harte Probe gestellt. Welche GefĂŒhle sind erlaubt, welche hat man ĂŒberhaupt noch? In welchem Umfang darf man nach den Kriegsereignissen moralisch ĂŒberhaupt noch Dinge hinterfragen? Elizabeth ist auf der Suche nach einem neuen Sinn, auf der Suche nach sich selbst, sie gewinnt schmerzhafte Erkenntnisse, muss sich von der Vergangenheit, aber auch von der Gegenwart in Form ihrer SchwĂ€gerin lösen. Aber ob des offenen Endes bleibt der Leser wie oben geschrieben etwas ratlos zurĂŒck.

Es mag ja sein, dass der Weg der Selbsterkenntnis von Elizabeth das Ziel sein sollte, aber fĂŒr einen so langen Roman war mir das am Ende ein wenig zu dĂŒnn - obgleich er wirklich gut geschrieben ist.

geschrieben am 01.01.2015 | 738 Wörter | 4379 Zeichen

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