ISBN | 3958291341 | |
Autor | Colin Barrett | |
Verlag | Steidl Verlag | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 224 | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Extras | - |
Der Erzählungsband „Junge Wölfe“ erschien im englischen Original unter dem Titel „Young skins“ erst 2013 in Dublin, dann 2014 in London und wurde nun in der ersten deutschen Übersetzung durch den Steidl-Verlag auf den Markt gebracht. Der Autor, Colin Barrett, ist fast selbst im Alter der von ihm beschriebenen „jungen Wölfe“, denn er wurde erst 1982 geboren. Der jetzige Erzählungsband ist sein literarisches Debüt, ein Roman wird wohl in Bälde erscheinen.
Knapp über 220 Seiten erwarten den Leser und darin insgesamt sieben der „Stories“ genannten kurzen Geschichten. Diese variieren in der Länge erheblich: zwei Geschichten beanspruchen weniger als 20 Seiten („Köder“, „Der Mond“), drei weitere in etwa 20 Seiten („Der kleine Clancy“, „Diamanten“, „Vergessen Sie…“), eine weitere 30 Seiten („Wehr Dich Deiner Haut“) und eine Geschichte sogar 90 Seiten („Ruhig mit den Pferden“). Es ist gerade auch die letztgenannte Geschichte, die nach der Lektüre des Buches am längsten in Erinnerung bleibt, da sie nicht nur Schlaglichter und Momentaufnahmen auf die von Barrett thematisierten Lebenswelten bietet, sondern die enthaltenen Charaktere auch ein wenig entwickeln kann und die Spannungen, die aus dem menschlichen Miteinander resultieren, besser herausarbeitet. Obwohl es vordergründig um den jungen Drogenhändler Dympna und dessen zwei skurrile Onkel geht, ist Dympnas „rechts Hand“, Arm genannt, der eigentliche Protagonist. Er muss zunächst einen behaupteten moralischen Fehltritt eines der Drogenverkäufer sühnen, der später sogar in eine vermeintlich aus Ehrengründen verlangte Tötung eskaliert. Diese Tat versucht er dann bis zum Ende der Geschichte irgendwie zu relativieren und findet doch ein tragisches Ende. Tragisch vor allem deswegen, weil er einen kleinen Sohn hat, der an einer autistischen Erkrankung leidet und um den er sich inzwischen mehr und lieber als zuvor kümmert, vor allem seitdem dieser Spaß am therapeutischen Reiten gefunden hat.
In den anderen Geschichten werden Charaktere verschiedener Ausprägungen porträtiert und präsentiert, die man eben in Irland (aber auch anderswo auf dem Land) finden könnte. Den abgehalfterten Tankstellenhilfsarbeiter Bat, der bei seiner Mutter wohnt, seine Migräne mit Bierkonsum befeuert und lebenslang gekennzeichnet ist durch eine testosterongesteuerte Zufallsattacke eines lokalen Großmauls. Den Türsteher Val, der mit verschiedenen Servicekräften und sogar der Tochter des Inhabers des Pubs, für den er arbeitet, Affären unterhält und sich bar jeder emotionalen Verstrickungen fühlt – um am Ende doch festzustellen, dass er Gefühle entwickelt hat, die sich nicht so einfach in sein bisheriges Weltbild integrieren lassen. Oder auch den von seiner vermeintlichen Jugendliebe doch abgelehnten Jimmy, der aus Schmerz über die geplante Heirat der jungen Dame mit einem anderen Mann dessen Kleinwagen von seinem Kumpel Tug umwerfen lässt, um dann darauf eine Botschaft für die Angebetete zu schreiben.
So entsteht ein variantenreiches, oft amüsantes Panoptikum von mehr oder weniger jungen Leuten, alles Männer im Übrigen, die in ihrem Alltag irgendwie festgefahren sind und sich bisweilen in einer gewissen Perspektivlosigkeit festtrinken. Dennoch haben sie alle ihre Träume und Sehnsüchte, die sich in das tägliche Leben irgendwie integrieren lassen müssen. Was dann daraus entsteht, ist durchaus überraschend, wenngleich manches offene Ende der Geschichten eher einen unfertigen als einen sinnvollen Abschluss bildet.
Sprachlich zieht Barrett den Leser rasch in den Bann, er wechselt gekonnt zwischen Erzählung und Dialogen, streut wenn nötig stets rechtzeitig Passagen aus der Vergangenheit ein, um den begonnenen Handlungskomplex zu erläutern. Die Figuren sind abwechslungsreich, wenngleich die im Klappentext des Buches gegebene Beschreibung der „jungen Wölfe“ beileibe nicht auf alle der Hauptfiguren passt. Das ist aber kein Nachteil, denn oftmals sind solche „Stories“ ja auch erste Fingerübungen für den nachfolgenden großen Wurf. Und dass der zu erwartende Roman lesenswert sein wird, hat Barrett mit dieser Sammlung von Geschichten schon dankenswerterweise in Aussicht gestellt.
geschrieben am 26.03.2016 | 593 Wörter | 3671 Zeichen
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