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Von werden degen und edelen vrouwen zu tugentlichen helden und eelichen hausfrawen


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Rezension von

Hiram Kümper

Von werden degen und edelen vrouwen zu tugentlichen helden und eelichen hausfrawen In ihrer Münsteraner Dissertation hat es sich Judith Schönhoff zum Ziel gesetzt, aufzudecken, „welche Konzepte und Ideale die literarischen Diskurse der höfischen und frühneuzeitlichen Romane in Bezug auf Männlichkeit und Weiblichkeit vertreten und wie sich diese auf die Darstellung der Paarbeziehungen und der familiären Strukturen auswirken.“ (S. 2) Als Textkorpus für diese Unterfangen wählt sie sich eine Gruppe von vier mittelhochdeutscher Versepen der Stauferzeit und deren Prosabearbeitungen im 15. Jahrhundert, die jeweils miteinander verglichen werden sollen. Wie eine allzu leidige Pflichtübung lesen sich in weiten Strecken die einleitenden Kapitel zum Forschungsstand (S. 9-64), vor allem diejenigen zur sozialhistorischen Kontextualisierung grundlegender Beschreibungsfelder (Ehe, Familie, Körper etc.) sowie die unmutig-knappen Ausführungen zur „Untersuchungskategorie Gender“ (S. 22-25). Sämtliche skeptischen Stimmen beispielsweise, die schon unmittelbar nach dem Erscheinen von Thomas Laqueurs einschlägiger Studie „Making Sex“ von 1990 den universalistischen Ansatz des vorgeblich „damals favorisierten Ein-Geschlecht-Modell“ (S. 24) für die Erklärung mittelalterlicher Körperkonzeptionen kritisiert haben (bspw. Joan Cadden, um nur eine besonders einschlägige zu nennen), werden übergangen – ebenso im Übrigen im medizinhistorisch-ideengeschichtlichen Abriss (S. 31-37), wo diese Idee auch gar nicht mehr aufgegriffen, sondern unbekümmert von „den beiden Geschlechtern“ (S. 31) gesprochen wird, sodass fraglich bleibt, welchen Stellenwert diese Feststellung in Schönhoffs Argumentation haben soll. Ein grobes Missverständnis oder zumindest eine Verwechselung von Verschleißerscheinungen in Folge von Ubiquisierung und Verallgemeinplatzung mit dem eigentlichen Anliegen der Sache ist es schließlich, wenn die Vf. feststellt, die „heutige Gender-Forschung [sei] eine Weiterentwicklung der seit den 70er Jahren betriebenen Frauenforschung, die inzwischen um geschlechtsspezifische Untersuchungen zur Lebenswelt der Männer ergänzt wurde“ (S. 23, Anm. 86). In freier Abwandlung eines der klassischen Bônmots der Disziplin („Add women and stir.“), mit dem die frühe Gender-Forschung berechtigt Kritik an manchen Zweigen feministischer Historiographie geübt hatte, müsste es hier heißen: „Take women’s studies, add men, and stir.“ Das dürfte manche ernsthafte Gender-Forscherin und manchen ernsthaften Gender-Forscher brüskieren, die sich gerade um die Auflösung von starr-binären Dichotomien und um eine sinnvolle Alternative zu solchen bloß additiven Verfahren bemühen. Deutlich sicherer und sichtlich auch interessierter wird die Vf., wenn sie zu ihrem eigentlichen Stoff kommt. Die gründlichen Lektüren stellen in der Mehrzahl durchaus gelungene Zusammenstellungen zu einzelnen Themenkomplexen dar, an die spätere Studien mit Gewinn anknüpfen könnten. Die systematische Aufbereitung kommt einer solchen „Steinbruch-Funktion“ noch zugute; auch die Belegstellenauswertungen im Anhang sind da sicher hilfreich, wenn auch die quantitative Auswertung sich nicht in allen Fällen als besonders aussagekräftig erweist. In einem ausführlichen Resümee (S. 311-340) fasst Schönhoff die Verschiebungen im Frauen- und Männerbild zwischen Versepen und Prosauflösungen nochmals zusammen. Im Großen und Ganzen kann sie die These früher Forschungen bestätigen, dass die Handlungsspielräume für beide Geschlechter sich im Verlauf des Spätmittelalters deutlich verengt zu haben scheinen. Etwas verwunderlich scheint freilich, dass die Distanz zwischen dem Publikum der mittelhochdeutschen Versepen und demjenigen der Prosaauflösungen des 15. Jahrhunderts in der Hauptsache chronologisch und in eher allgemeiner Weise gesellschaftsgeschichtlich begriffen wird. Auch wenn man mit Recht die etwas zu breit gepinselte trennscharfe Unterscheidung zwischen höfischer und (früh-)bürgerlicher Literatur (verbunden z.B. mit dem seit einiger Zeit heftig kritisierten Begriff „Volksbuch“, dem auch die Vf. einige Absätze widmet) als heute überholt bezeichnen mag, so darf doch die Sozialstruktur des Publikums der Versepen des 13. und der Prosabearbeitungen des 15. Jahrhunderts kaum als annähernd deckungsgleich angenommen werden. Der Verweis auf die fortgesetzte quantitative Dominanz von Adeligen unter den Auftraggebern trüge nur, wenn er sich auch auf die Besitzer weiterer Abschriften erweitern ließe – ein Feld, das erst gar nicht näher untersucht wird. Ferner nehmen selbstverständlich auch die Kontakte und Vermischungen zwischen aristokratischen und bürgerlichen Sphären gerade im 15. Jahrhundert immer mehr zu. Zum Teil wird das eingangs (S. 9f.) zwar en passent zur Kenntnis genommen, später aber leider kaum mehr aufgegriffen. Auch hier zeigen sich die deutlichen Schwächen in der sozialhistorischen Kontextualisierung, auf die Schönhoff doch so nachdrücklich im wiederholten Rekurs auf Rüdiger Schnell insistiert. Das alles verschwimmt hinter dem Plastikwort von den „Diskursen ihrer Zeit“ (S. 27 u.ö.), von denen leider nicht hinlänglich deutlich gemacht wird, wer an ihnen teilnimmt, wer auf sie einwirkt, welche Eigendynamiken sie entwickeln und in welcher Beziehung sie zu den untersuchten Texten zu sehen sein könnten. Insgesamt enttäuscht diese Studie – nicht so sehr, weil es an Auseinandersetzung mit dem Material fehlte, sondern weil die rahmenden Kapitel ebenso wie die häufig nur sehr oberflächlichen sozialhistorischen Kontextualisierungsversuche sie unnötig schmälern. In dieser Form freilich besteht die Gefahr, dass sie zu dem wird, was Schönhoff, von der anderen disziplinären Seite herkommend, durch den leider wenig erfolgreichen Versuch einer „Kulturpoetik“ (S. 2) zu umgehen versucht: dass die Ergebnisse der einen Disziplin zu bloßen Versatzstücken der anderen, in diesem Falle die literaturgeschichtlichen Teile ihrer Studie zum Steinbruch für die Sozial- und Kulturgeschichte werden.

In ihrer Münsteraner Dissertation hat es sich Judith Schönhoff zum Ziel gesetzt, aufzudecken, „welche Konzepte und Ideale die literarischen Diskurse der höfischen und frühneuzeitlichen Romane in Bezug auf Männlichkeit und Weiblichkeit vertreten und wie sich diese auf die Darstellung der Paarbeziehungen und der familiären Strukturen auswirken.“ (S. 2) Als Textkorpus für diese Unterfangen wählt sie sich eine Gruppe von vier mittelhochdeutscher Versepen der Stauferzeit und deren Prosabearbeitungen im 15. Jahrhundert, die jeweils miteinander verglichen werden sollen.

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Wie eine allzu leidige Pflichtübung lesen sich in weiten Strecken die einleitenden Kapitel zum Forschungsstand (S. 9-64), vor allem diejenigen zur sozialhistorischen Kontextualisierung grundlegender Beschreibungsfelder (Ehe, Familie, Körper etc.) sowie die unmutig-knappen Ausführungen zur „Untersuchungskategorie Gender“ (S. 22-25). Sämtliche skeptischen Stimmen beispielsweise, die schon unmittelbar nach dem Erscheinen von Thomas Laqueurs einschlägiger Studie „Making Sex“ von 1990 den universalistischen Ansatz des vorgeblich „damals favorisierten Ein-Geschlecht-Modell“ (S. 24) für die Erklärung mittelalterlicher Körperkonzeptionen kritisiert haben (bspw. Joan Cadden, um nur eine besonders einschlägige zu nennen), werden übergangen – ebenso im Übrigen im medizinhistorisch-ideengeschichtlichen Abriss (S. 31-37), wo diese Idee auch gar nicht mehr aufgegriffen, sondern unbekümmert von „den beiden Geschlechtern“ (S. 31) gesprochen wird, sodass fraglich bleibt, welchen Stellenwert diese Feststellung in Schönhoffs Argumentation haben soll. Ein grobes Missverständnis oder zumindest eine Verwechselung von Verschleißerscheinungen in Folge von Ubiquisierung und Verallgemeinplatzung mit dem eigentlichen Anliegen der Sache ist es schließlich, wenn die Vf. feststellt, die „heutige Gender-Forschung [sei] eine Weiterentwicklung der seit den 70er Jahren betriebenen Frauenforschung, die inzwischen um geschlechtsspezifische Untersuchungen zur Lebenswelt der Männer ergänzt wurde“ (S. 23, Anm. 86). In freier Abwandlung eines der klassischen Bônmots der Disziplin („Add women and stir.“), mit dem die frühe Gender-Forschung berechtigt Kritik an manchen Zweigen feministischer Historiographie geübt hatte, müsste es hier heißen: „Take women’s studies, add men, and stir.“ Das dürfte manche ernsthafte Gender-Forscherin und manchen ernsthaften Gender-Forscher brüskieren, die sich gerade um die Auflösung von starr-binären Dichotomien und um eine sinnvolle Alternative zu solchen bloß additiven Verfahren bemühen.

Deutlich sicherer und sichtlich auch interessierter wird die Vf., wenn sie zu ihrem eigentlichen Stoff kommt. Die gründlichen Lektüren stellen in der Mehrzahl durchaus gelungene Zusammenstellungen zu einzelnen Themenkomplexen dar, an die spätere Studien mit Gewinn anknüpfen könnten. Die systematische Aufbereitung kommt einer solchen „Steinbruch-Funktion“ noch zugute; auch die Belegstellenauswertungen im Anhang sind da sicher hilfreich, wenn auch die quantitative Auswertung sich nicht in allen Fällen als besonders aussagekräftig erweist. In einem ausführlichen Resümee (S. 311-340) fasst Schönhoff die Verschiebungen im Frauen- und Männerbild zwischen Versepen und Prosauflösungen nochmals zusammen. Im Großen und Ganzen kann sie die These früher Forschungen bestätigen, dass die Handlungsspielräume für beide Geschlechter sich im Verlauf des Spätmittelalters deutlich verengt zu haben scheinen.

Etwas verwunderlich scheint freilich, dass die Distanz zwischen dem Publikum der mittelhochdeutschen Versepen und demjenigen der Prosaauflösungen des 15. Jahrhunderts in der Hauptsache chronologisch und in eher allgemeiner Weise gesellschaftsgeschichtlich begriffen wird. Auch wenn man mit Recht die etwas zu breit gepinselte trennscharfe Unterscheidung zwischen höfischer und (früh-)bürgerlicher Literatur (verbunden z.B. mit dem seit einiger Zeit heftig kritisierten Begriff „Volksbuch“, dem auch die Vf. einige Absätze widmet) als heute überholt bezeichnen mag, so darf doch die Sozialstruktur des Publikums der Versepen des 13. und der Prosabearbeitungen des 15. Jahrhunderts kaum als annähernd deckungsgleich angenommen werden. Der Verweis auf die fortgesetzte quantitative Dominanz von Adeligen unter den Auftraggebern trüge nur, wenn er sich auch auf die Besitzer weiterer Abschriften erweitern ließe – ein Feld, das erst gar nicht näher untersucht wird. Ferner nehmen selbstverständlich auch die Kontakte und Vermischungen zwischen aristokratischen und bürgerlichen Sphären gerade im 15. Jahrhundert immer mehr zu. Zum Teil wird das eingangs (S. 9f.) zwar en passent zur Kenntnis genommen, später aber leider kaum mehr aufgegriffen. Auch hier zeigen sich die deutlichen Schwächen in der sozialhistorischen Kontextualisierung, auf die Schönhoff doch so nachdrücklich im wiederholten Rekurs auf Rüdiger Schnell insistiert. Das alles verschwimmt hinter dem Plastikwort von den „Diskursen ihrer Zeit“ (S. 27 u.ö.), von denen leider nicht hinlänglich deutlich gemacht wird, wer an ihnen teilnimmt, wer auf sie einwirkt, welche Eigendynamiken sie entwickeln und in welcher Beziehung sie zu den untersuchten Texten zu sehen sein könnten.

Insgesamt enttäuscht diese Studie – nicht so sehr, weil es an Auseinandersetzung mit dem Material fehlte, sondern weil die rahmenden Kapitel ebenso wie die häufig nur sehr oberflächlichen sozialhistorischen Kontextualisierungsversuche sie unnötig schmälern. In dieser Form freilich besteht die Gefahr, dass sie zu dem wird, was Schönhoff, von der anderen disziplinären Seite herkommend, durch den leider wenig erfolgreichen Versuch einer „Kulturpoetik“ (S. 2) zu umgehen versucht: dass die Ergebnisse der einen Disziplin zu bloßen Versatzstücken der anderen, in diesem Falle die literaturgeschichtlichen Teile ihrer Studie zum Steinbruch für die Sozial- und Kulturgeschichte werden.

geschrieben am 09.10.2008 | 775 Wörter | 5275 Zeichen

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