Navigation

Seiten der Rubrik "Bücher"


Google Anzeigen

Anzeigen

Bücher

Arbeitsunfall und Dienstunfall


Statistiken
  • 5090 Aufrufe

Informationen zum Buch
  ISBN
  Autor
  Verlag
  Sprache
  Seiten
  Erscheinungsjahr
  Extras

Rezension von

Dr. Sebastian Felz

Arbeitsunfall und Dienstunfall Wie kann es sein, so fragt Gerd Giesen in seiner Freiburger Dissertation, dass die sehr Ă€hnlichen TatbestĂ€nde des § 8 SGB VII und des § 31 BeamtVG, welche den Arbeits- bzw. den Dienstunfall regeln, teilweise unterschiedliche Auslegungen durch die Sozial- bzw. die Verwaltungsgerichtsbarkeit erfahren? Giesen nĂ€hert sich diesem PhĂ€nomen in drei Schritten an. ZunĂ€chst beschreibt er die GrundtatbestĂ€nde des Arbeits- wie des Dienstunfalls als auch des Wegeunfalls und beleuchtet die Divergenzen der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Im zweiten Schritt ĂŒberprĂŒft der Autor die KohĂ€renz und Stichhaltigkeit der BegrĂŒndungsansĂ€tze des Bundesozialgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts sowie der Literatur fĂŒr diese Divergenzen. Im dritten Schritt macht Giesen aufgrund der Analyse und der dadurch gewonnenen Erkenntnisse VorschlĂ€ge fĂŒr die Harmonisierung beider Absicherungssysteme im Falle eines Arbeits- bzw. Dienstunfalls. Durch sehr sorgfĂ€ltige Auswertung von Rechtsprechung und Literatur stellt Giesen die GrundtatbestĂ€nde des Arbeits- und Dienstunfalls dar. Giesen analysiert prĂ€zise den Aufbau der dogmatischen PrĂŒfung des Arbeitsunfalls durch das BSG. Es gibt in der Rechtsprechung zum § 8 SGB VII keinen allgemeinen „Betriebsbann“. Es gilt das Dogma der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten als PrĂŒfungskriterium fĂŒr die Bejahung eines Arbeitsunfalls. Die Annahme eines generellen Unfallversicherungsschutzes in einem rĂ€umlich-zeitlichen Zusammenhang erkennt das BSG außer bei einer „besonderen Betriebsgefahr“ im Gegensatz zum BVerwG nicht an, welches einen generellen Dienstunfallschutz wĂ€hrend der Dienstzeit innerhalb des DienstgebĂ€udes bejaht. WĂ€hrend Beamte auch bei der Essensaufnahme oder dem Toilettengang unter Unfallversicherungsschutz stehen, können die BeschĂ€ftigten bei diesen TĂ€tigkeiten keinen besonderen Schutz der UnfallversicherungstrĂ€ger „genießen“. Betriebs- und Dienstsport werden in der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit Ă€hnlich behandelt, wĂ€hrend bei der Telearbeit die Arbeitnehmer besser abgesichert sind. DafĂŒr sind die Beamten bei Grippeschutzimpfungen besser geschĂŒtzt, denen wiederum aufgrund des Fehlens einer Regelung im Sinne des § 8 Abs. 3 SGB VII ggf. die beschĂ€digte Brille oder ein verloren gegangenes HörgerĂ€t nicht ersetzt wird. Auch beim Wegeunfalltatbestand gibt es Unterschiede. GrundsĂ€tzlich sehen BSG als auch BVerwG als Anfangs- bzw. Endpunkt des versicherten Weges die AußenhaustĂŒr der Versicherten bzw. der Beamten. In jĂŒngster Zeit beobachtet Giesen aber eine wertende Betrachtungsweise bei UnfĂ€llen im unmittelbaren HaustĂŒrbereich, die eine AbwĂ€gung nach RisikosphĂ€ren vornimmt. Im Bereich von Garagen bejaht das BSG einen Unfallversicherungsschutz nur, wenn die Garage baulich nicht mit der WohnstĂ€tte verbunden ist, wĂ€hrend das BVerwG grundsĂ€tzlich vom Risikobereich des Beamten ausgeht, wenn ein Unfall sich im Bereich einer Garage ereignet. Das BSG lĂ€sst den Unfallversicherungsschutz auch zwischen ArbeitsstĂ€tte und einem sog. dritten Ort zu. Eine entsprechende Judikatur des BVerwG zu § 31 Abs. 1 S. 1 BeamtVG gibt es nicht. Auch die Rechtsprechung zur LĂ€nge einer zeitlichen Unterbrechung durch eigenwirtschaftliche TĂ€tigkeit, die zur endgĂŒltigen Aufhebung des Wegeunfallversicherungsschutzes fĂŒhrt, differiert. Das BSG zieht schematisch eine Grenze von zwei Stunden. Das BVerwG arbeitet mit einer Bewertung der GesamtumstĂ€nde des Einzelfalles. Bewegt sich der Versicherte im Verkehrsraum, handelt aber eigenwirtschaftlich, so wird die Sozialgerichtsbarkeit eher den Unfallversicherungsschutz verneinen als die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bilanziert diese Unterschiede, so Giesen, dann kann im Hinblick auf das gewĂ€hrte Schutzniveau keine Bevorzugung bzw. Benachteiligung von Arbeitnehmern oder Beamten verzeichnet werden. Im zweiten Teil seiner Untersuchung wendet sich der Autor einer Bewertung der Divergenzen zu und versucht, eine kritische ÜberprĂŒfung der vorgebrachten ErklĂ€rungsansĂ€tze. Auch wenn Giesen es so nicht expliziert, wendet er in diesem Kapitel die Auslegungsmethoden Savignys an und kann weder durch grammatikalische, historische, systematische oder teleologische Auslegung eine kohĂ€rente ErklĂ€rung fĂŒr die Unterschiede in der Verwaltungs- und Sozialgerichtsrechtsprechung finden, auch wenn in diesen Differenzierungen keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen ist, da das Gebot der Rechtsanwendungsgleicheit nur innerhalb eines Gerichtszweiges gilt. Im letzten Abschnitt seiner Dissertation macht Giesen drei VorschlĂ€ge fĂŒr die zukĂŒnftige Ausgestaltung des Arbeits- und Dienstunfallrechts. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit sollte die AusprĂ€gung des Versicherungsschutzes von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als Grundmodell anerkennen und keinesfalls hinter dieses Schutzniveau zurĂŒckfallen. Von diesem Sockel sollte das Dienstunfallrecht fortentwickelt werden. Ein extensiverer Dienstunfallschutz sollte Beamteninnen und Beamten nur dort gewĂ€hrt, wo sie speziellen Gefahren ausgesetzt sind. Ein Rechtsgedanke, der sich im § 31 Abs. 4 BeamtVG, wiederspiegelt. Gerd Giesen hat aufgrund der extensiven Literatur- und Rechtsprechungsauswertung eine ĂŒberzeugende Untersuchung vorgelegt, die durch seine umsichtige Analyse des geltenden Rechts sowie aufgrund seiner scharfsichtigen rechtspolitischen Überlegungen besticht.

Wie kann es sein, so fragt Gerd Giesen in seiner Freiburger Dissertation, dass die sehr Àhnlichen TatbestÀnde des § 8 SGB VII und des § 31 BeamtVG, welche den Arbeits- bzw. den Dienstunfall regeln, teilweise unterschiedliche Auslegungen durch die Sozial- bzw. die Verwaltungsgerichtsbarkeit erfahren?

Giesen nĂ€hert sich diesem PhĂ€nomen in drei Schritten an. ZunĂ€chst beschreibt er die GrundtatbestĂ€nde des Arbeits- wie des Dienstunfalls als auch des Wegeunfalls und beleuchtet die Divergenzen der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Im zweiten Schritt ĂŒberprĂŒft der Autor die KohĂ€renz und Stichhaltigkeit der BegrĂŒndungsansĂ€tze des Bundesozialgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts sowie der Literatur fĂŒr diese Divergenzen. Im dritten Schritt macht Giesen aufgrund der Analyse und der dadurch gewonnenen Erkenntnisse VorschlĂ€ge fĂŒr die Harmonisierung beider Absicherungssysteme im Falle eines Arbeits- bzw. Dienstunfalls. Durch sehr sorgfĂ€ltige Auswertung von Rechtsprechung und Literatur stellt Giesen die GrundtatbestĂ€nde des Arbeits- und Dienstunfalls dar.

Giesen analysiert prĂ€zise den Aufbau der dogmatischen PrĂŒfung des Arbeitsunfalls durch das BSG. Es gibt in der Rechtsprechung zum § 8 SGB VII keinen allgemeinen „Betriebsbann“. Es gilt das Dogma der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten als PrĂŒfungskriterium fĂŒr die Bejahung eines Arbeitsunfalls. Die Annahme eines generellen Unfallversicherungsschutzes in einem rĂ€umlich-zeitlichen Zusammenhang erkennt das BSG außer bei einer „besonderen Betriebsgefahr“ im Gegensatz zum BVerwG nicht an, welches einen generellen Dienstunfallschutz wĂ€hrend der Dienstzeit innerhalb des DienstgebĂ€udes bejaht. WĂ€hrend Beamte auch bei der Essensaufnahme oder dem Toilettengang unter Unfallversicherungsschutz stehen, können die BeschĂ€ftigten bei diesen TĂ€tigkeiten keinen besonderen Schutz der UnfallversicherungstrĂ€ger „genießen“. Betriebs- und Dienstsport werden in der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit Ă€hnlich behandelt, wĂ€hrend bei der Telearbeit die Arbeitnehmer besser abgesichert sind. DafĂŒr sind die Beamten bei Grippeschutzimpfungen besser geschĂŒtzt, denen wiederum aufgrund des Fehlens einer Regelung im Sinne des § 8 Abs. 3 SGB VII ggf. die beschĂ€digte Brille oder ein verloren gegangenes HörgerĂ€t nicht ersetzt wird.

Auch beim Wegeunfalltatbestand gibt es Unterschiede. GrundsĂ€tzlich sehen BSG als auch BVerwG als Anfangs- bzw. Endpunkt des versicherten Weges die AußenhaustĂŒr der Versicherten bzw. der Beamten. In jĂŒngster Zeit beobachtet Giesen aber eine wertende Betrachtungsweise bei UnfĂ€llen im unmittelbaren HaustĂŒrbereich, die eine AbwĂ€gung nach RisikosphĂ€ren vornimmt. Im Bereich von Garagen bejaht das BSG einen Unfallversicherungsschutz nur, wenn die Garage baulich nicht mit der WohnstĂ€tte verbunden ist, wĂ€hrend das BVerwG grundsĂ€tzlich vom Risikobereich des Beamten ausgeht, wenn ein Unfall sich im Bereich einer Garage ereignet.

Das BSG lĂ€sst den Unfallversicherungsschutz auch zwischen ArbeitsstĂ€tte und einem sog. dritten Ort zu. Eine entsprechende Judikatur des BVerwG zu § 31 Abs. 1 S. 1 BeamtVG gibt es nicht. Auch die Rechtsprechung zur LĂ€nge einer zeitlichen Unterbrechung durch eigenwirtschaftliche TĂ€tigkeit, die zur endgĂŒltigen Aufhebung des Wegeunfallversicherungsschutzes fĂŒhrt, differiert. Das BSG zieht schematisch eine Grenze von zwei Stunden. Das BVerwG arbeitet mit einer Bewertung der GesamtumstĂ€nde des Einzelfalles. Bewegt sich der Versicherte im Verkehrsraum, handelt aber eigenwirtschaftlich, so wird die Sozialgerichtsbarkeit eher den Unfallversicherungsschutz verneinen als die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Bilanziert diese Unterschiede, so Giesen, dann kann im Hinblick auf das gewÀhrte Schutzniveau keine Bevorzugung bzw. Benachteiligung von Arbeitnehmern oder Beamten verzeichnet werden.

Im zweiten Teil seiner Untersuchung wendet sich der Autor einer Bewertung der Divergenzen zu und versucht, eine kritische ÜberprĂŒfung der vorgebrachten ErklĂ€rungsansĂ€tze. Auch wenn Giesen es so nicht expliziert, wendet er in diesem Kapitel die Auslegungsmethoden Savignys an und kann weder durch grammatikalische, historische, systematische oder teleologische Auslegung eine kohĂ€rente ErklĂ€rung fĂŒr die Unterschiede in der Verwaltungs- und Sozialgerichtsrechtsprechung finden, auch wenn in diesen Differenzierungen keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen ist, da das Gebot der Rechtsanwendungsgleicheit nur innerhalb eines Gerichtszweiges gilt.

Im letzten Abschnitt seiner Dissertation macht Giesen drei VorschlĂ€ge fĂŒr die zukĂŒnftige Ausgestaltung des Arbeits- und Dienstunfallrechts. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit sollte die AusprĂ€gung des Versicherungsschutzes von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als Grundmodell anerkennen und keinesfalls hinter dieses Schutzniveau zurĂŒckfallen. Von diesem Sockel sollte das Dienstunfallrecht fortentwickelt werden. Ein extensiverer Dienstunfallschutz sollte Beamteninnen und Beamten nur dort gewĂ€hrt, wo sie speziellen Gefahren ausgesetzt sind. Ein Rechtsgedanke, der sich im § 31 Abs. 4 BeamtVG, wiederspiegelt.

Gerd Giesen hat aufgrund der extensiven Literatur- und Rechtsprechungsauswertung eine ĂŒberzeugende Untersuchung vorgelegt, die durch seine umsichtige Analyse des geltenden Rechts sowie aufgrund seiner scharfsichtigen rechtspolitischen Überlegungen besticht.

geschrieben am 28.06.2017 | 677 Wörter | 4743 Zeichen

Kommentare lesen Kommentar schreiben

Kommentare zur Rezension (0)

Platz für Anregungen und Ergänzungen