ISBN | 9544491996 | |
Autor | Johannes Heinrichs | |
Verlag | Steno Verlag | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 349 | |
Erscheinungsjahr | 2005 | |
Extras | - |
Die Reflexions-Systemtheorie ist das erste und seiner ganzen weiteren geistigen Entwicklung zugrundeliegende Projekt von Johannes Heinrichs. Sie ist nunmehr in einer erweiterten Wiederauflage der erstmaligen Schrift von 1976 (âReflexion als soziales System. Zu einer Reflexions-Systemtheorie der Gesellschaftâ) neu erhĂ€ltlich. Wichtig ist diese Schrift besonders fĂŒr das tiefere VerstĂ€ndnis des Demokratie-Buches von 2003. Sie wurde einst 1976 von der Diskurshegemonie des Suhrkamp-Imperiums âherrschaftsfreiâ ignoriert und bietet die Vermittlung zwischen dem handlungstheoretischen Ansatz von Habermas und dem systemtheoretischen von Luhmann in GĂ€nze dar.
Es ist die interpersonale Reflexion, die Handlungen zu einem Handlungssystem werden lĂ€Ăt und zugleich das soziale System in ein System von reflexiv gestuften Subsystemen strukturiert. Das blieb bisher von der Fachwissenschaft wenig berĂŒcksichtigt. Deshalb ist diese Neuausgabe mit einem Nachwort von Franz-Theo Gottwald versehen (291ff.), welcher wesentliche Klarstellungen ĂŒber unfairen Missbrauch und Fehldeutungen von Heinrichsâ Theorie vornimmt. Das Buch schlieĂt mit einer umfassenden ErklĂ€rung wichtiger Fachbegriffe, die nun - lĂ€ngst ĂŒberfĂ€llig - den gesamten theoretischen Ansatz fĂŒr den gewillten Neueinsteiger terminologisch nachvollziehbar werden lassen. Der Zusammenhang zwischen Sinn-Welt und Handlung war bei Luhmann von Beginn an nicht vorhanden, geschweige denn erkenntnistheoretisch hergeleitet, was auch fĂŒr das bekannte Werk Bergers und Luckmanns von 1969 zutrifft (âDie gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeitâ). Dem ist so, obwohl dort ansatzweise Folgendes erkannt wurde: âUnd Gesellschaft wird tatsĂ€chlich konstruiert durch TĂ€tigkeiten, die subjektiv gemeinten Sinn zum Ausdruck bringen.â FĂŒr Heinrichs stellt dieses Defizit - so gleich in seinem Vorwort - die Eigenschaft einer sich unaufmerksam verhaltenden âprofanen wissenschaftlichen Zunftâ (7) dar, die wesentliche praktische Konsequenzen aus ihrer Forschung nicht zu ziehen bereit sei. Vielmehr plĂ€diert er hingegen fĂŒr eine mit umfassenden Konsequenzen bedachte logische Mehrwertigkeit der Reflexionsstufen und den mit ihnen korrespondierenden Sinn-Elementen (subjektives Subjekt, Objekt, objektives Subjekt, Sinn-Medium). Was die logische und damit zugleich integrative Mehrwertigkeit angeht, so beruft sich Heinrichs zudem seit seinem Hegel Buch von 1974 (âDie Logik der PhĂ€nomenologie des Geistesâ) Ă€hnlich wie im âScheidewegâ auf die Arbeiten des Logikers Gotthard GĂŒnther (1900-1984). Der eingeweihte Leser hat seitdem nicht vergessen, daĂ es Heinrichs bei seiner Reflexionstheorie um eine fortentwickelte Form der mehrwertigen Dialektik im Sinne Hegels geht und daĂ er nicht bei einseitiger System- oder Handlungstheorie stehen bleiben möchte. Entsprechend stellt der Verfasser am Ende der Entfaltung seiner âSystemtheorie der Gesellschaftâ fest: â...daĂ es ohne Reflexion weder selbstbewuĂte SubjektivitĂ€t noch spezifisch menschliche SozialitĂ€t ĂŒberhaupt gĂ€be. Reflexion ist mehr als ein bloĂer Steuerungsmechanismus.â (285/286).
Es ist das Verdienst dieses immer noch und heute mehr denn je anspruchsvollen und anregenden Buches, nicht nur Philosophie gegen den Zeitgeist betrieben, sondern den reflexionstheoretisch gedeuteten Theorie-Praxis-Gegensatz zwischen Hegel und Marx ĂŒberwunden und die eigentliche Logik des Sozialen ĂŒber die âReflexionâ freigelegt zu haben. Das Buch wird letztendlich, wenn auch verspĂ€tet, seinen verdienten Platz in der Literatur zur politischen und sozialen Theorie erhalten.
geschrieben am 10.11.2006 | 452 Wörter | 3182 Zeichen
Kommentare zur Rezension (0)
Platz für Anregungen und Ergänzungen