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Ludwig Quidde – Eine Biografie


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Rezension von

Max Bloch

Ludwig Quidde – Eine Biografie Der Historiker, Friedensnobelpreisträger und liberale Politiker Ludwig Quidde war lange Zeit nur den mit der Materie befassten Friedensforschern ein Begriff. Mit seiner großangelegten politischen Biographie, Ergebnis einer Jahrzehnte währenden wissenschaftlichen Beschäftigung mit Leben und Wirken Quiddes, hat der Bremer Emeritus Karl Holl die Bilanz eines langen (und ertragreichen) Forscherlebens gezogen und eine ebenso imponierende wie sperrige Persönlichkeit der deutschen Geschichte dem allgemeinen Bewusstsein zurückerobert. Seit seiner Caligula-Schrift von 1894, einer nur durchsichtig bemäntelten Kritik am wilhelminischen „Byzantinismus“, war der Mittelalterhistoriker Ludwig Quidde ein im politischen Rampenlicht stehender profilierter Repräsentant des selbstbewussten liberalen Bürgertums. Die mutige Agitation gegen die Umsturz- ebenso wie gegen die Zuchthausvorlage, eine dreimonatige Kerkerhaft wegen Majestätsbeleidigung, sein Engagement in der 1892 gegründeten Deutschen Friedensgesellschaft, deren Vorsitzender er 1914 wurde – all das mehrte seinen Ruf als streitbarer Verfechter einer wahrhaft verstandenen „Friedenspolitik“, die er als „Anwendung demokratischer Grundsätze auf das Zusammenleben der Völker“ und als Ausdruck eines „echten Patriotismus“ verstand. Im Ersten Weltkrieg, an dem die pazifistische ebenso wie die sozialistische Internationale jäh zerbrach, lehnte er es – anders als radikalere Gesinnungsgenossen – ab, den Feinden „im Büßergewand“ entgegenzutreten und die alliierten Kriegsschuldzuweisungen kritiklos zu übernehmen. Wie er – als Pazifist und Patriot – für einen aus der Idee des Rechts und der internationalen Verständigung geborenen Frieden kämpfte, so lehnte er – nach Niederlage und Waffenstillstand – den Versailler Friedensvertrag als eine Vergewaltigung seiner pazifistischen Ideale ab. Diese Grundhaltung sollte ihm später schwere Vorwürfe der deutschen, vor allem aber der auswärtigen Friedensbewegung eintragen. Als überzeugter Republikaner, Mitbegründer der Deutschen Demokratischen Partei und Mitglied der Nationalversammlung schien es zunächst den Anschein zu haben, als würde Quidde in der Weimarer Republik eine prominente Rolle vorbehalten bleiben. Letztlich hatte, wie er resigniert konstatierte, hingegen „die zur Regierung gelangte Demokratie keine Verwendung für mich“, was, wie Karl Holl überzeugend belegt, vor allem mit seinem pazifistischen Engagement zusammenhing. Spätestens seit ihrer Fusion mit dem Jungdeutschen Orden zur Deutschen Staatspartei hatte der moderate Pazifismus eines Ludwig Quidde selbst im linksbürgerlichen Lager keinen Rückhalt mehr, während er in einer sich stetig radikalisierenden Friedensbewegung als bürgerlich-liberales Relikt behandelt wurde. Ein Mann des Ausgleichs und des Kompromisses, geriet Quidde zwischen die Räder einer zum Extremen sich neigenden Zeit. Auch die Verleihung des Friedensnobelpreises 1927 vermochte die schmerzliche Isolation, in der Quidde sich befand, nicht zu durchbrechen. Ein „unverbesserlicher Optimist“, glaubte Quidde aber auch weiterhin „an die heilende Wirkung der Zeit“ und war selbst vor schwerwiegenden Fehleinschätzungen nicht gefeit. Noch im Schweizer Exil schenkte er den Friedensbekundungen Hitlers Glauben und lehnte es ab, sich für antideutsche Kundgebungen einspannen zu lassen. So moderat er aber – auch im Hinblick auf seine im Reiche verbliebene „halbjüdische“ Ehefrau – nach außen agierte, so zeigen private Äußerungen etwa zum „Anschluss“ Österreichs oder zum Münchener Abkommen seinen wachen Sinn für Realitäten ebenso wie den moralischen Abscheu vor der nationalsozialistischen Diktatur und ihrer Erpressungspolitik gegenüber dem Ausland. Dieses Leben und diesen Menschen mit all seinen Schwächen und Sonderlichkeiten hat Karl Holl mit seiner urteilssicheren und auch delikate private Details nicht aussparenden Biographie fesselnd beschrieben und damit einen Beitrag auch zur Geschichte des Pazifismus und des politischen Liberalismus in Deutschland geleistet. Daraus ist ein Werk entstanden, das über eine reine Lebens-Beschreibung weit hinausgreift: eine im einzelnen Schicksal gespiegelte „Leidensgeschichte der Demokratie in Deutschland“, deren Aufstieg und deren Untergang Ludwig Quidde als leidenschaftlicher Akteur miterlebte, mitgestaltete und miterlitt. Ein für die Gattung der politischen Biographie vorbildhaftes und wegweisendes Buch!

Der Historiker, Friedensnobelpreisträger und liberale Politiker Ludwig Quidde war lange Zeit nur den mit der Materie befassten Friedensforschern ein Begriff. Mit seiner großangelegten politischen Biographie, Ergebnis einer Jahrzehnte währenden wissenschaftlichen Beschäftigung mit Leben und Wirken Quiddes, hat der Bremer Emeritus Karl Holl die Bilanz eines langen (und ertragreichen) Forscherlebens gezogen und eine ebenso imponierende wie sperrige Persönlichkeit der deutschen Geschichte dem allgemeinen Bewusstsein zurückerobert.

Seit seiner Caligula-Schrift von 1894, einer nur durchsichtig bemäntelten Kritik am wilhelminischen „Byzantinismus“, war der Mittelalterhistoriker Ludwig Quidde ein im politischen Rampenlicht stehender profilierter Repräsentant des selbstbewussten liberalen Bürgertums. Die mutige Agitation gegen die Umsturz- ebenso wie gegen die Zuchthausvorlage, eine dreimonatige Kerkerhaft wegen Majestätsbeleidigung, sein Engagement in der 1892 gegründeten Deutschen Friedensgesellschaft, deren Vorsitzender er 1914 wurde – all das mehrte seinen Ruf als streitbarer Verfechter einer wahrhaft verstandenen „Friedenspolitik“, die er als „Anwendung demokratischer Grundsätze auf das Zusammenleben der Völker“ und als Ausdruck eines „echten Patriotismus“ verstand.

Im Ersten Weltkrieg, an dem die pazifistische ebenso wie die sozialistische Internationale jäh zerbrach, lehnte er es – anders als radikalere Gesinnungsgenossen – ab, den Feinden „im Büßergewand“ entgegenzutreten und die alliierten Kriegsschuldzuweisungen kritiklos zu übernehmen. Wie er – als Pazifist und Patriot – für einen aus der Idee des Rechts und der internationalen Verständigung geborenen Frieden kämpfte, so lehnte er – nach Niederlage und Waffenstillstand – den Versailler Friedensvertrag als eine Vergewaltigung seiner pazifistischen Ideale ab. Diese Grundhaltung sollte ihm später schwere Vorwürfe der deutschen, vor allem aber der auswärtigen Friedensbewegung eintragen. Als überzeugter Republikaner, Mitbegründer der Deutschen Demokratischen Partei und Mitglied der Nationalversammlung schien es zunächst den Anschein zu haben, als würde Quidde in der Weimarer Republik eine prominente Rolle vorbehalten bleiben.

Letztlich hatte, wie er resigniert konstatierte, hingegen „die zur Regierung gelangte Demokratie keine Verwendung für mich“, was, wie Karl Holl überzeugend belegt, vor allem mit seinem pazifistischen Engagement zusammenhing. Spätestens seit ihrer Fusion mit dem Jungdeutschen Orden zur Deutschen Staatspartei hatte der moderate Pazifismus eines Ludwig Quidde selbst im linksbürgerlichen Lager keinen Rückhalt mehr, während er in einer sich stetig radikalisierenden Friedensbewegung als bürgerlich-liberales Relikt behandelt wurde. Ein Mann des Ausgleichs und des Kompromisses, geriet Quidde zwischen die Räder einer zum Extremen sich neigenden Zeit. Auch die Verleihung des Friedensnobelpreises 1927 vermochte die schmerzliche Isolation, in der Quidde sich befand, nicht zu durchbrechen.

Ein „unverbesserlicher Optimist“, glaubte Quidde aber auch weiterhin „an die heilende Wirkung der Zeit“ und war selbst vor schwerwiegenden Fehleinschätzungen nicht gefeit. Noch im Schweizer Exil schenkte er den Friedensbekundungen Hitlers Glauben und lehnte es ab, sich für antideutsche Kundgebungen einspannen zu lassen. So moderat er aber – auch im Hinblick auf seine im Reiche verbliebene „halbjüdische“ Ehefrau – nach außen agierte, so zeigen private Äußerungen etwa zum „Anschluss“ Österreichs oder zum Münchener Abkommen seinen wachen Sinn für Realitäten ebenso wie den moralischen Abscheu vor der nationalsozialistischen Diktatur und ihrer Erpressungspolitik gegenüber dem Ausland.

Dieses Leben und diesen Menschen mit all seinen Schwächen und Sonderlichkeiten hat Karl Holl mit seiner urteilssicheren und auch delikate private Details nicht aussparenden Biographie fesselnd beschrieben und damit einen Beitrag auch zur Geschichte des Pazifismus und des politischen Liberalismus in Deutschland geleistet. Daraus ist ein Werk entstanden, das über eine reine Lebens-Beschreibung weit hinausgreift: eine im einzelnen Schicksal gespiegelte „Leidensgeschichte der Demokratie in Deutschland“, deren Aufstieg und deren Untergang Ludwig Quidde als leidenschaftlicher Akteur miterlebte, mitgestaltete und miterlitt. Ein für die Gattung der politischen Biographie vorbildhaftes und wegweisendes Buch!

geschrieben am 15.01.2008 | 564 Wörter | 3945 Zeichen

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