ISBN | 3865828353 | |
Autor | Melanie Grundmann | |
Verlag | Monsenstein und Vannerdat | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 212 | |
Erscheinungsjahr | 2009 | |
Extras | - |
Der Dandy hat sein eigenes Leben. Er ist nicht nur eine Erscheinung in der Öffentlichkeit, sondern lebt ein eigenes, radikales Prinzip – abseits öffentlicher Normen. Jegliches Verhalten, Gebaren, jedwede Äußerung hat einem höchsten ästhetischen Anspruch zu genügen. So versteht es sich von selbst, dass ihm nur wenige Menschen in seinem Verhalten folgen können. Zugleich aber ist der Dandy in diesem Prozess von einem bloß das Ego befriedigenden Selbstlob weit entfernt. Dies macht ihn zu einem eigenen, äußerst strengen arbiter elegantiarum.
Der vorliegende Band „Dandiana“ der Dandy-Forscherin Melanie Grundmann ist deshalb etwas besonderes, da er anhand primärer Quellen das Werden des Typus des Dandys darstellt und so die Sicht auf das dandyistische Verhalten von außen in den Mittelpunkt rückt. Das souveräne Verhalten des Dandys hat den großen Vorteil, dass seine absolute ästhetische Empfindsamkeit und umfassende Stilsicherheit den Dandy unabhängig machen. Aber genau dies war – folgt man der Autorin – nicht immer so!
Eine Vielzahl journalistischer wie literarischer Zeitzeugenberichte sprechen dafür, dass das Bild des Dandys, wie wir es kennen, d.h. der mondäne und stilsichere Mann, genetisch als Spätform des Typus anzusehen sei. In seinem Ursprung entpuppe sich der Dandy, so die Autorin, als unerwünschte Kreatur, der ihre Menschlichkeit zuweilen abgesprochen wurde. Hierfür unterteilt die Autorin verschiedene Kapitel, in denen das frühe Wesen des Dandys abgehandelt werden, so etwa Tiermetaphoriken (31) wie die Bezeichnung „lion“ oder „tiger“ oder aber „Affe“ und „Esel“. Dies ließ ihn – aus der Sicht anderer - zu einem Symbol der dekadenten Gesellschaft werden. Hinzu tritt auch ein Kapitel über die geschlechtliche Uneindeutigkeit des Dandys, der von Kommentatoren einstmals als zweigeschlechtlich oder geschlechtslos charakterisiert wurde – eben ein „strange being“.
In den verschiedenen Kapiteln, die jeweils ein Merkmal des Dandys begutachten, wird sehr übersichtlich die Wurzel des Dandyismus, vor allem aus der Sich der Begutachter, dargestellt. Dies ist eine überaus gelungene und überfällige Leistung. Sie hat aber einen entscheidenden Nachteil.
So sehr der Dandy den ersten Beobachtern als fremdes Wesen, impertinenter Wichtigtuer und gefährlicher Verführer der Jugend gegolten haben mag, so sehr vermisst der Leser neben der Abarbeitung der negativen Abnormitäten des Dandys aus der Sicht anderer Nicht-Dandys eine phänomenlogische Sicht auf den Dandy. Dies ist zugegebenermaßen nicht Ziel des Buches, aber eine phänomenologische Suche, die den Ursprung der Erkenntnisgewinnung in den unmittelbar gegebenen Erscheinungen selbst sucht, hätte zu einem ganzheitlicheren Urteil führen können.
So hätte man zu dem Schluss kommen können, dass die negativen Einordnungen des Typus Dandy nur subjektive Zuschreibungen anderer Menschen sind, die den eigenen ästhetischen Anspruch des Dandys gar nicht berühren, nicht vertreten und damit natürlich sein Wesen als eloquenter Mann als Aufdringlichkeit deuten mussten. Es kommt auf den Standpunkt an! So neigt das Buch dazu, die Negativzuschreibungen über den Dandy zu objektiven Merkmalen desselben in seiner Anfangszeit zu machen und nicht gewissermaßen das Phänomen selbst zu begutachten. Denn hiermit würden wiederum mehr positive Merkmale, die den Dandy heute vordergründig bestimmen, auftauchen, weil er seine Exklusivität aus sich selbst und nicht aus den Urteilen anderer zieht. Das ist ja gerade sein Grundprinzip! In dem Kapitel „Stolzes Gebaren“ (139) gelingt es der Autorin schließlich, die Exklusivität des Dandys etwas mehr aus sich selbst heraus zu beurteilen und die grazile Erscheinung auch als eigenen Wert und unabhängig von den Gazetten der Zeitgenossen darzustellen. Dieses Kapitel hätte ausgeweitet werden können.
Der phänomenologisch-analytische Blick kommt zu der Erkenntnis, dass die Désinvolture des Dandys es ihm verbietet, sich mit anderen zu einen. Unter seinesgleichen erkennt man sich. Ein eigenes Verbrechen wäre ein solches Sicheinsmachen – mit wem auch immer. Dies macht die von Joris-Karl Huysmans veranschaulichte Passivität der dandyistischen Revolte gerade aus. Der Dandy greift nicht selbst zur Waffe, sondern provoziert andere. Solche, die sein Mitleid nicht bekommen können. Aber die Stoßrichtung der Übertretung bleibt bestehen. Es ist klar, das dieser ästhetizistische Habitus natürlich auf Ablehnung traf, wie so oft die Exklusivität der Wenigen aus der Sicht des Mittelmaßes. Dies berührt aber nicht das Wesen desjenigen, der sich als Dandy oder als bewusster Außenseiter definiert und so lebt.
Wie dem auch sei! Die angeführten Anekdoten der Autorin sind sehr hilfreich, das Phänomen Dandy zu verstehen. Insbesondere die durchaus wegweisenden Kapitel über die weiblichen Dandys (179) und den Reiz des Bösen (159) zeichnen das Buch aus. Dies macht das Werk lesenswert und zu einem Meilenstein der Dandy-Forschung. Man sollte aber auch nicht vergessen, dass der Dandy nicht abschließend korrekt über das Urteil Außenstehender bewertet werden kann, sondern er vielmehr in Ergänzung dazu über die Analyse seines eigenen Denkens und seines subjektiven Anspruchs als historisches Phänomen einen Sinn ergibt. Denn es macht ihn ja geradeaus, dass er nicht wie viele andere ängstlich wie die Maus, die über eine Wiese eilt, über die ein Bussard kreist, die redaktionelle Kritik und Urteile anderer fürchten muss. Anders ausgedrückt: Der Dandy als Prinzip bleibt an sich unabhängig. Die umfassende Unabhängigkeit ist die Voraussetzung für seine menschliche Souveränität!
geschrieben am 12.10.2009 | 802 Wörter | 4900 Zeichen
Ewige Überlegenheit des Dandys.
Was ist der Dandy?
fragte Charles Baudelaire in seinen tagebuchähnlichen Aufzeichnungen. Der Pariser Bohème gab damit Zeugnis von seiner Suche nach dem wahren Kern, der Essenz des Dandytums, - aber zugleich auch von der durch ihn selbst betriebenen Mystifizierung und Stilisierung.
Die Berliner Kulturwissenschaftlerin Melanie Grundmann ist bemüht, Licht ins Dunkel namens Dandy zu bringen. Nach ihrer vor drei Jahren vorgelegten Anthologie Der Dandy – Wie er wurde, was er war nun das kleine Bändchen Dandiana mit dem Untertitel Der Dandy im Bild englischer, französischer und amerikanischer Journalisten des 19. Jahrhunderts. Nach eigener Angabe hat die Forscherin 129 Artikel, Gedichte, Briefe und Reisebeschreibungen ausgewertet. Durchaus Interessantes, Erhellendes kommt dabei zutage. So erfährt man, dass der Dandy zu Beginn des 19. Jahrhunderts in englischen Zeitschriften als »thing«, als geschlechtsloses Ding bezeichnet wurde. Melanie Grundmann zitiert einen Leserbrief aus dem Jahr 1822:
»What things are they of doubtfull gender,
Tipp’d at each end with brass, and slender
Like broomstick of the witch of Endor?
They’re dandies.«
Die Autorin fand einen Leserbrief, in dem die Menschheit gar in drei Gruppen eingeteilt wird: Männer, Frauen und Dandys.
Durch die vielen angeführten Zitate wird deutlich, dass mit dem »Dandy« im 18. und im anfänglichen 19. Jahrhundert wenig Positives verbunden wurde. Der damit konnotierte Typus galt als clownesk-auffällig, man sah ihn an als jemanden, der um jeden Preis im Mittelpunkt stehen wollte. Seine sexuelle Uneindeutigkeit vergrößerte die Irritation noch. In vielen von der Autorin herausgesuchten journalistischen Texten wird der Dandy als dümmlich und ästhetisch unsicher klassifiziert.
Witzig zu lesen ist das Kapitel "Ein Tag im Leben eines Dandys". Es sind Artikel aus britischen Zeitungen und Magazinen, die Melanie Grundmann sprechen lässt. Es sind diese Berichte, die – häufig nicht ganz ernst gemeint – das Bild über diese Lebensform stark mitgeprägt haben. Die Schreiber ereiferten sich bereits bei der Uhrzeit, wann ein Dandy für gewöhnlich aufstehe. Ein Artikel wusste von 12.00 Uhr zu berichten, ein anderer von 1 Uhr und ein dritter war sicher, ein echter Dandy würde nicht vor 17.00 Uhr sein Bett verlassen. Nach dem geruhsamen Frühstück ließ der Dandy freilich nach seinem Schneider und dem Korsettmacher schicken. Diese Berichte wollten sich natürlich einerseits über diese Lebemänner lustig machen. Andererseits hatten sie aber auch die verlegerische Intention, die menschliche Neugier zu befriedigen. Und die jeweilige Gazette machte sich selbst wichtig.
Weitere Themen des Büchleins sind die Impertinenz des Dandys, seine Empfindsamkeit und Schwäche, sein stolzes Gebaren oder der Reiz des Bösen.
Interessant ist die Akzentverschiebung bei der Zuschreibung »Dandy«. Vom anfänglich, das bedeutet in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, sehr negativen Image, wurde die Verwendung des Wortes eher differenzierter. Nicht verwunderlich ist die jeweils unterschiedliche Konnotation in den verschiedenen Ländern. So wurden englische Gentlemen, die sich bewusst frankophil gaben, gern als unpatriotisch beschimpft.
Melanie Grundmann kommt zum Ergebnis, das heutige Bild des Dandys sei zu korrigieren. »Die Forschungsliteratur, die sich zumeist auf literarische Texte stützt, die das Bild des Dandys verklären und idealisieren, betrachtet den Dandy im Großen und Ganzen als einen heroischen, kühnen und stoischen Mann von Welt, der sich in ästhetischer Kontemplation ergeht«, resümiert Grundmann. Ist das nicht eine schöne Vorstellung, an die die Menschen glauben möchten? Und die Modemagazine machen nichts anderes wie heute das Fernsehen? Sie lieferten und liefern ihren Lesern den unerreichbaren Glamour einer romantisierten Glitzerwelt?
Die Autorin rückt zurecht, was teilweise unkritisch übernommen worden ist und so Eingang in den Wissenschafts-Kanon gefunden hat. Erst in den vergangenen Jahren erschienen hervorragende Untersuchungen, wie die von Fernand Hörner, die historische Quelltexte mit Distanz rezipierten und ihre Rezeptionsgeschichte mit analysierten.
Melanie Grundmanns lesenswerte kleine Studie endet – mit einer Frage: »Wann und wie trat der Wandel im Bild des Dandys ein, der ihn von einer lächerlichen Erscheinung zu einem heroischen Helden werden ließ, welcher sich gegen die Nivellierungstendenzen der Moderne aufbäumte?« Ihre Vermutung, dass Schriftsteller hierbei eine entscheidende Rolle spielten, scheint zuzutreffen. So habe Balzac die Dandys früh als affektiert bezeichnet und später »in seinen Romanen vollendete Dandy-Figuren« geschaffen.
Melanie Grundmanns Verdienst ist, die bisherige, überschaubare Literatur zum Dandytum in deutscher Sprache durch viele weitere Quelltexte aus der originären Zeit des Hochkommens essentiellen Dandytums zu bereichern.
Die große Monographie über den dandysme ist noch nicht geschrieben. Sie könnte einen Markierungspunkt setzen bei Ernst Jünger, der an sehr wenigen aber anscheinend umso bedeutenderen Stellen in seinem umfangreichen Tagebuch Stellung bezog und über sein eigenes Leben und Schaffen resümierte: »Meine heutige Wertung ist nicht politischer, sondern stilistischer Natur. Insofern scheint mir, daß ich damals unter mein Niveau gegangen bin, aber nicht deshalb, weil ich mich als Nationalist, sondern weil ich mich überhaupt beteiligte.«
geschrieben am 26.01.2010 | 763 Wörter | 4748 Zeichen
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