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Love and Death in Lawrence and Foucault


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Rezension von

Hiram Kümper

Love and Death in Lawrence and Foucault Dieses Buch ist keine literaturwissenschaftliche Studie im engeren Sinne. Man wird vielleicht sogar fragen können, ob es ĂŒberhaupt eine ist. Die Selbstbeschreibung auf dem BuchrĂŒcken nennt es „the first full-length study of Foucault and the Foucaultians not to look at them from a quasi-hagiographical perspective.“ Nun könnte man natĂŒrlich einwenden, dass – trotz aller Heldenverehrung gegenĂŒber Foucault, die ja in der Tat eine betrĂ€chtliche Literatur hervorgebracht hat – dies durchaus nicht die erste kritische Auseinandersetzung in buchlanger Form sei. Man könnte einwenden, dass der Verweis auf die „quasi-hagiographische“ Affirmation Foucaults mittlerweile selbst ein ziemlich abgedroschener Topos geworden ist. Man könnte auch fragen, wer diese „Foucaultians“ seien, auf die doch ganz sicher nicht der „quasi-“, oder besser mĂŒsste man dann ja „sekundĂ€r-quasi-hagiographische“ Blick gerichtet wird. Man kann das alles aber auch unterlassen. Denn es ist ganz offenkundig, dass der Verfasser an solcherlei kritischer Auseinandersetzung wenig Interesse haben wĂŒrde. Scherr hat es sich zum Ziel gesetzt, „D.H. Lawrence to his rightfully and supremely high place in the pantheon of great British literature” zurĂŒck zu verhelfen. Auch hier erlaube ich mir ein Zitat des Klappentextes, weil es Scherr an keiner Stelle im Buch selbst fĂŒr nötig erachtet, sein Anliegen, sein Vorgehen und seine PrĂ€missen deutlich darzulegen. Stattdessen beginnt das Buch mit einem Kapitel zu 09/11. Hier wird auch deutlich, worum es Scherr noch, vielleicht sogar in erster Linie, geht: um „Western civilization“ – eine Wendung, die auffĂ€llig hĂ€ufig durch das gesamte Buch hindurch fĂ€llt. Die also ist in Gefahr und der zentrale Feind ist: „diversity“ – ein ZugestĂ€ndnis an einen Multikulturalismus, der „denigrates the creative-artistic power of Western civilization’s greatest figures in favor of the social-political power of ‚groups, defined largely in terms of race, ethnicity, sex, and sexual preference.’“ (S. 2). Das ist also, Scherr zufolge, das Dilemma. Und wer ist schuld? Foucault. Befremdlich erscheinen vor allem die wiederholten Angriffe gegen die „Clitonesque trendy left-wing obliviousness/appeasement/valorization of Third World terrorists“ (S. 1), die ewig zitierte „left-wing political correctness“ (S. 2) oder – ganz besonders befremdlich – gegen „the grotesquely enormous amount of taxpayer money spent in the Untied States to fight AIDS (more than that spent on all other diseases combined!), and the grotesquely unjust and unproductive regime of reverse discrimination that (since 1978) dominates the ‘specific’ domain of literary-cultural-political academia, where a white heterosexual male (especially if he is politically incorrect) has as much chance of getting a fair deal as a rabbi has of becoming the head of Saudi Arabia” (S. 3). Hier ist “commited” (oder, wie es im Klappentext heißt: „courageous“) schon nicht mehr der richtige Ausdruck fĂŒr das, was als vorgeblich literatur-, philosophie- oder jedenfalls geisteswissenschaftliche Studie daherkommt; hier wird nicht mehr nur polemisiert, hier wird propagiert. Gerade der letztzitierte Absatz schließt sich bruch- und nahtlos an eine Collage Foucaultscher Zitate zur Möglichkeit Homosexueller, staatliche Anerkennung zu erlangen, an. Diese Gleichsetzung von AIDS und HomosexualitĂ€t ist so verbohrt, dass man bereits (oder spĂ€testens?) hier – notabene: auf Seite 3! – das Buch am liebsten weglegen möchte. Die ĂŒble Laune des Verfassers und der Hass gegenĂŒber Foucault und der sehr unkonturiert aufgeworfenen Gruppe der „Foucaultians“ (wer immer das sei), die aus jedem Kapitel sprechen, macht die LektĂŒre in der Tat zu einem anstrengenden Unterfangen. Im besten Falle „nur“ anstrengend sind Scherrs AusfĂ€lle gegenĂŒber anderen – man hat in gewisser Weise Probleme, sie als „Kolleginnen und Kollegen“ zu titulieren –, wie etwa Henry Louis Gates, der als „bogus, pretentious sham“ (S. 251) beschimpft wird. Anstrengend ist auch seine Arbeitsweise mit ausgiebigen Langzitaten, die dann noch einmal paraphrasiert werden. Was nun hat aber jetzt D. H. Lawrence damit zu tun? Die Frage ist berechtigt und ob die vorliegende Arbeit sie wirklich beantwortet, darĂŒber kann man geteilter Meinung sein. Auf Seite 12 jedenfalls, nach ausgiebigen Tiraden ĂŒber das US-amerikanische UniversitĂ€tssystem und die Krise der westlichen Zivilisation „that indeed reached its peak on September 11, 2001“ (ebd.), kommt der – jedenfalls fĂŒr den Rezensenten reichlich unvermittelte – Anschluss: „But indeed there is another ‚9/11’ that in its own way is just as crucial for the fate of Western civilization: September 11, 1885“ – der Geburtstag von D.H. Lawrence also. Der zentrale Punkt, den Scherr im Folgenden aufmacht und ĂŒber vier weitere Kapitel weiter ausbaut, ist der: WĂ€hrend Foucault das Individuum im Wesentlichen als „raw material“ von Machtoperationen sĂ€he, habe Lawrence einen positiv besetzten, aktivischen IndividualitĂ€tsbegriff konturiert, der formend mit der sozialen und politischen Welt umgehen können. Das ist Scherr offensichtlich sympathischer und nur an einem solchen Individuum, so der Argumentationsgang, könne das westzivilisiert Wesen genesen. Das zweite Kapitel unternimmt eine ausgiebige „Lawrentian Critique of Foucault“, an das sich eine „Lawrention Solution“ fĂŒr das Problem sozialer und sexueller Bindung anschließt. Wie schön, dass es noch Arbeiten gibt, die den expliziten Anspruch haben, Probleme zu lösen! Ob die hier angebotene (von „Angebot“ kann man angesichts der apodiktischen Behandlung des Themas freilich kaum mehr sprechen) eine ist, mag der Leser entscheiden. Die sehr selektiven Foucault-LektĂŒren und deren suggestive Interpretation dĂŒrften auch zu Widerspruch angetan sein. Es folgt eine „Lawrentian Note“ von lediglich vier Seiten zum Problem des Todes bei Foucault und eine etwas ausfĂŒhrlichere Auseinandersetzung mit dem Foucault’schen Machtbegriff. Die Arbeit schließt mit einem reichlich unglĂŒcklich als „Conclusion“ betitelten sechsten Kapitel, das mit ĂŒber 100 Seiten (!) ein gutes Drittel der gesamten Studie einnimmt. Auch hier schlĂ€gt dem Leser auf beinahe jeder Seite die Verachtung des Verfassers entgegen, beispielsweise wenn er Lawrences Tiraden gegen Homosexuelle nicht nur vollkommen unkommentiert referiert, sondern ihm sogar dafĂŒr noch einen „strong moral sense“ attestiert – selbst, wenn „Lawrence in his last days came to view homosexuality as only a synecdoche [!!!] of the ‚sick’ aspect of an ‚insidious(ly) disease(d)’ Western civilization in decline – in decline due not only [!!!] to homosexuality, but also to the myriad other aspects of corrupt elite left-wing ‚civilisation’“ (S. 325). Mehr solcher Zitate scheinen mir nicht nötig. Und rĂŒckblickend scheint mir das nicht nur fĂŒr die Zitate zu gelten. Eines kann man diesem Buch ganz sicher in Anschluss an die Selbstbeschreibung des Buchdeckels attestierten: es ist „utterly unique“. Und ich möchte dazufĂŒgen: das ist auch gut so! Mehr solche BĂŒcher werden wirklich nicht gebraucht.

Dieses Buch ist keine literaturwissenschaftliche Studie im engeren Sinne. Man wird vielleicht sogar fragen können, ob es ĂŒberhaupt eine ist. Die Selbstbeschreibung auf dem BuchrĂŒcken nennt es „the first full-length study of Foucault and the Foucaultians not to look at them from a quasi-hagiographical perspective.“

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Nun könnte man natĂŒrlich einwenden, dass – trotz aller Heldenverehrung gegenĂŒber Foucault, die ja in der Tat eine betrĂ€chtliche Literatur hervorgebracht hat – dies durchaus nicht die erste kritische Auseinandersetzung in buchlanger Form sei. Man könnte einwenden, dass der Verweis auf die „quasi-hagiographische“ Affirmation Foucaults mittlerweile selbst ein ziemlich abgedroschener Topos geworden ist. Man könnte auch fragen, wer diese „Foucaultians“ seien, auf die doch ganz sicher nicht der „quasi-“, oder besser mĂŒsste man dann ja „sekundĂ€r-quasi-hagiographische“ Blick gerichtet wird. Man kann das alles aber auch unterlassen. Denn es ist ganz offenkundig, dass der Verfasser an solcherlei kritischer Auseinandersetzung wenig Interesse haben wĂŒrde.

Scherr hat es sich zum Ziel gesetzt, „D.H. Lawrence to his rightfully and supremely high place in the pantheon of great British literature” zurĂŒck zu verhelfen. Auch hier erlaube ich mir ein Zitat des Klappentextes, weil es Scherr an keiner Stelle im Buch selbst fĂŒr nötig erachtet, sein Anliegen, sein Vorgehen und seine PrĂ€missen deutlich darzulegen.

Stattdessen beginnt das Buch mit einem Kapitel zu 09/11. Hier wird auch deutlich, worum es Scherr noch, vielleicht sogar in erster Linie, geht: um „Western civilization“ – eine Wendung, die auffĂ€llig hĂ€ufig durch das gesamte Buch hindurch fĂ€llt. Die also ist in Gefahr und der zentrale Feind ist: „diversity“ – ein ZugestĂ€ndnis an einen Multikulturalismus, der „denigrates the creative-artistic power of Western civilization’s greatest figures in favor of the social-political power of ‚groups, defined largely in terms of race, ethnicity, sex, and sexual preference.’“ (S. 2). Das ist also, Scherr zufolge, das Dilemma. Und wer ist schuld? Foucault.

Befremdlich erscheinen vor allem die wiederholten Angriffe gegen die „Clitonesque trendy left-wing obliviousness/appeasement/valorization of Third World terrorists“ (S. 1), die ewig zitierte „left-wing political correctness“ (S. 2) oder – ganz besonders befremdlich – gegen „the grotesquely enormous amount of taxpayer money spent in the Untied States to fight AIDS (more than that spent on all other diseases combined!), and the grotesquely unjust and unproductive regime of reverse discrimination that (since 1978) dominates the ‘specific’ domain of literary-cultural-political academia, where a white heterosexual male (especially if he is politically incorrect) has as much chance of getting a fair deal as a rabbi has of becoming the head of Saudi Arabia” (S. 3). Hier ist “commited” (oder, wie es im Klappentext heißt: „courageous“) schon nicht mehr der richtige Ausdruck fĂŒr das, was als vorgeblich literatur-, philosophie- oder jedenfalls geisteswissenschaftliche Studie daherkommt; hier wird nicht mehr nur polemisiert, hier wird propagiert. Gerade der letztzitierte Absatz schließt sich bruch- und nahtlos an eine Collage Foucaultscher Zitate zur Möglichkeit Homosexueller, staatliche Anerkennung zu erlangen, an. Diese Gleichsetzung von AIDS und HomosexualitĂ€t ist so verbohrt, dass man bereits (oder spĂ€testens?) hier – notabene: auf Seite 3! – das Buch am liebsten weglegen möchte. Die ĂŒble Laune des Verfassers und der Hass gegenĂŒber Foucault und der sehr unkonturiert aufgeworfenen Gruppe der „Foucaultians“ (wer immer das sei), die aus jedem Kapitel sprechen, macht die LektĂŒre in der Tat zu einem anstrengenden Unterfangen.

Im besten Falle „nur“ anstrengend sind Scherrs AusfĂ€lle gegenĂŒber anderen – man hat in gewisser Weise Probleme, sie als „Kolleginnen und Kollegen“ zu titulieren –, wie etwa Henry Louis Gates, der als „bogus, pretentious sham“ (S. 251) beschimpft wird. Anstrengend ist auch seine Arbeitsweise mit ausgiebigen Langzitaten, die dann noch einmal paraphrasiert werden.

Was nun hat aber jetzt D. H. Lawrence damit zu tun? Die Frage ist berechtigt und ob die vorliegende Arbeit sie wirklich beantwortet, darĂŒber kann man geteilter Meinung sein. Auf Seite 12 jedenfalls, nach ausgiebigen Tiraden ĂŒber das US-amerikanische UniversitĂ€tssystem und die Krise der westlichen Zivilisation „that indeed reached its peak on September 11, 2001“ (ebd.), kommt der – jedenfalls fĂŒr den Rezensenten reichlich unvermittelte – Anschluss: „But indeed there is another ‚9/11’ that in its own way is just as crucial for the fate of Western civilization: September 11, 1885“ – der Geburtstag von D.H. Lawrence also. Der zentrale Punkt, den Scherr im Folgenden aufmacht und ĂŒber vier weitere Kapitel weiter ausbaut, ist der: WĂ€hrend Foucault das Individuum im Wesentlichen als „raw material“ von Machtoperationen sĂ€he, habe Lawrence einen positiv besetzten, aktivischen IndividualitĂ€tsbegriff konturiert, der formend mit der sozialen und politischen Welt umgehen können. Das ist Scherr offensichtlich sympathischer und nur an einem solchen Individuum, so der Argumentationsgang, könne das westzivilisiert Wesen genesen.

Das zweite Kapitel unternimmt eine ausgiebige „Lawrentian Critique of Foucault“, an das sich eine „Lawrention Solution“ fĂŒr das Problem sozialer und sexueller Bindung anschließt. Wie schön, dass es noch Arbeiten gibt, die den expliziten Anspruch haben, Probleme zu lösen! Ob die hier angebotene (von „Angebot“ kann man angesichts der apodiktischen Behandlung des Themas freilich kaum mehr sprechen) eine ist, mag der Leser entscheiden. Die sehr selektiven Foucault-LektĂŒren und deren suggestive Interpretation dĂŒrften auch zu Widerspruch angetan sein. Es folgt eine „Lawrentian Note“ von lediglich vier Seiten zum Problem des Todes bei Foucault und eine etwas ausfĂŒhrlichere Auseinandersetzung mit dem Foucault’schen Machtbegriff. Die Arbeit schließt mit einem reichlich unglĂŒcklich als „Conclusion“ betitelten sechsten Kapitel, das mit ĂŒber 100 Seiten (!) ein gutes Drittel der gesamten Studie einnimmt.

Auch hier schlĂ€gt dem Leser auf beinahe jeder Seite die Verachtung des Verfassers entgegen, beispielsweise wenn er Lawrences Tiraden gegen Homosexuelle nicht nur vollkommen unkommentiert referiert, sondern ihm sogar dafĂŒr noch einen „strong moral sense“ attestiert – selbst, wenn „Lawrence in his last days came to view homosexuality as only a synecdoche [!!!] of the ‚sick’ aspect of an ‚insidious(ly) disease(d)’ Western civilization in decline – in decline due not only [!!!] to homosexuality, but also to the myriad other aspects of corrupt elite left-wing ‚civilisation’“ (S. 325). Mehr solcher Zitate scheinen mir nicht nötig. Und rĂŒckblickend scheint mir das nicht nur fĂŒr die Zitate zu gelten.

Eines kann man diesem Buch ganz sicher in Anschluss an die Selbstbeschreibung des Buchdeckels attestierten: es ist „utterly unique“. Und ich möchte dazufĂŒgen: das ist auch gut so! Mehr solche BĂŒcher werden wirklich nicht gebraucht.

geschrieben am 23.11.2009 | 1017 Wörter | 6261 Zeichen

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