ISBN | 3775727808 | |
Herausgeber | Anton Holzer , Frauke Kreutler | |
Verlag | Hatje Cantz | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 200 | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Extras | - |
Die Wiener Photographin Trude Fleischmann (1895-1990) wird wiederentdeckt. Zwar ist sie eine der bedeutendsten österreichischen Lichtbildkünstlerinnen der 1920er und 1930er Jahre, dennoch war sie bis vor kurzem dem allgemeinen Publikum praktisch unbekannt.
Dass sich dies nun ändert, liegt an einer Ausstellung des Wien Museums (noch bis zum 29. Mai 2011), das die erste umfassende Werk-Ausstellung zur Künstlerin präsentiert. Einige ihrer Werke sind optisch bekannt - auch wenn man nicht weiß, dass sie von Trude Fleischmann sind. Dazu gehört das berühmte Portrait von Karl Kraus, das seit Jahren die Werkausgabe des Schriftstellers ziert. Aber auch unbekanntere Werke sind nun zu sehen.
Die Photokünstlerin fertigte in ihrem Atelier Portraits vieler Größen ihrer Zeit: Der dandyistische Architekt Adolf Loos gehörte dazu wie Franz Blei, Wilhelm Furtwängler und eine ganze Reihe von österreichischen Schauspielern. Die Darstellung von nackten Tänzerinnen erhob sie zur Kunstgattung. Nackt und eingeölt posiert Claire Bauroff vor einer mit schwarzem Stoff bespannten Wand. Das verstärkt die Wirkung: Sie mutet dionysisch an, weiblich-erotisch-grazil und zugleich schmal und zerbrechlich. Androgyn.
Die Biographie von Trude Fleischmann ist ach so typisch und emblematisch für diese Zeit: In eine vermögende jüdische Familie geboren, hatte sie alle Chancen der künstlerischen Entfaltung. Ihr Vater verdiente als Kaufmann gutes Geld. Die Mutter pflegte das liberal-musische Air des Hauses. Zur Photographie zog es Gertrude von Kind an. Sie lernte in den angesehensten Wiener Ateliers das Handwerk. 1919 eröffnete sie dann ihr eigenes Atelier. Es war eine Zeit radikalen Umbruchs, war doch gerade erst die Habsburgermonarchie zusammengebrochen. Wien war nun nur noch die Kapitale eines republikanisch-demokratischen Kleinstaates.
Trude Fleischmann war mit den von Ihr Portraitierten meist gut bekannt. Über ihr umfangreiches Beziehungsgeflecht, erfahren wir im Katalog, ist heute kaum noch etwas bekannt. Auf jeden Fall gab sie selbst Feste, auf denen sie auch photographierte. In der Ausstellung ist ein frivoles Selbstportrait in ungarischer Tracht zu sehen. Sie gehörte zur künstlerisch-avantgardistischen Szene Wiens.
Mit dem so genannten Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland war dies abrupt vorbei. Trude Fleischmann war gezwungen zu fliehen. Dabei vernichtete sie den Großteil ihrer Negative. Über London ging sie in die USA. In New York konnte sie aufgrund einiger sehr guter Freunde schnell an den alten Erfolg anknüpfen: Im März 1939 hatte sie Wien verlassen. Bereits 1940 konnte sie ein Studio eröffnen. Es lag in Midtown Manhattan in der 56. Straße. Der etwa 40 Quadratmeter umfassende Raum lag unweit des Broadway. Es war gleichzeitig ihre Wohnung.
Mit 75 Jahren zog Trude Fleischmann 1970 in das eher beschauliche Lugano in die Schweiz. In ihre geliebte Heimatstadt sollte sie nur noch als Reisende kommen. In einem Interview sagte sie 1986: »Ich finde, die Wiener haben sich schlecht benommen, sodass ich Wien eigentlich nicht mehr vermisst habe.« Aber sie fügte sogleich hinzu: »Jetzt hat sich der Groll gelegt, und ich habe Wien wieder wunderschön gefunden.«
Ausstellung und begleitendes Katalogbuch geben einen umfassenden Einblick in das bedeutende Werk Trude Fleischmanns. Sie modernisierte die junge Photokunst. Dabei sah sie selbst sich niemals als ‚Künstlerin‘, sondern nur als solide Handwerkerin. Der bibliophile Katalog ist die erste umfassende Buchdarstellung zu Trude Fleischmann überhaupt. Ein kongenialer Begleitband 20 Jahre nach dem Tod der Künstlerin.
geschrieben am 22.02.2011 | 518 Wörter | 3133 Zeichen
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