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Bayerische Rechtsgeschichte vom frühen Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert


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Rezension von

Hiram Kümper

Bayerische Rechtsgeschichte vom frühen Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert Der Titel ist dazu angetan, in die Irre zu führen. Denn eine bayerische Rechtsgeschichte von den Anfängen bis in die Gegenwart, fortlaufend erzählt und für die Orientierung, etwa im Studium, konzipiert: das ist der vorliegende Band nicht. Aber er möchte Bausteine für eine solche Geschichte liefern, die noch immer aussteht. Dazu hat der Münchner Emeritus für Deutsche Rechtsgeschichte und Bürgerliches Recht sechs seiner Aufsätze aus den Jahren 1989 bis 2010 noch einmal zusammengestellt. Ihnen voran geht ein knappes Vorwort, das die Absicht dieser Wiederveröffentlichung darlegt. Der Band eröffnet mit einem Beitrag zur Entstehung der Lex Baiuvariorum, der ältesten Rechtsaufzeichnung auf bayerischem Boden. Besonders eingehend wird dabei die Datierungsfrage behandelt; seit längerem ein heiß umkämpftes Thema in der rechtshistorischen Forschung. Auch der zweite Beitrag befasst sich mit dem bayerischen Frühmittelalter und vor allem mit der eben erwähnten Lex. Dabei geht es um die Geschichte der Sklaverei in Bayern – ein Gebiet, auf dem sich der Verfasser nicht nur durch diesen kurzen und vergleichsweise aktuellen Beitrag (erstmals 2001), sondern vor allem durch seine noch immer wichtige Göttinger Habilitationsschrift von 1972 als einschlägiger Experte ausgewiesen hat. Im dritten Aufsatz behandelt Nehlsen die Rolle Ludwigs des Bayern und seiner beiden prominenten Berater Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham im Tiroler Ehestreit der 1340er Jahre. Gräfin Margarete hatte 1341 ihren Ehemann Johann Heinrich von Luxemburg unschön vor die Tür gesetzt und sich im Februar des folgenden Jahres mit Ludwig dem Brandenburger, dem ältesten Sohn Kaiser Ludwigs des Bayern, vermählt. Den eherechtlichen Dimensionen dieses Skandals, der – wie viele urteilen – dem Gegenkönigtum Karls IV. und damit dem Übergang des Kaisertums an die Luxemburger überhaupt erst den Weg bahnte, und den zwei berühmten Gutachtern auf Seiten der Wittelsbacher spürt nun kenntnisreich Nehlsen nach. Leider ist hier im Neusatz eine Fußnote abhanden gekommen, sodass die nachfolgenden verrutscht sind. Hat man diesen Fehler erst einmal bemerkt, ist er schnell verschmerzt, bis dahin natürlich lästig. Während die bisherigen – und auch die folgenden – Beiträge in größeren Sammelbänden und einschlägigen Publikationsreihen erschienen sind, hätte der fünfte Beitrag dieses Bandes tatsächlich Gefahr laufen können, weitgehend unbekannt zu bleiben, denn er nimmt ein lokalhistorisches Thema auf und ist in der Geschichte der behandelten kleinen Gemeinde erscheinen, die 1989 zu deren 1250. Jubiläum vorgelegt wurde. Schön, dass er nun noch einmal nachgedruckt wurde! Denn hier kann man dank der ausgesprochen günstigen Quellenlage sehr lebensnah die erbitterten Konflikte um die Gemeindereform Montegelas, das Gegeneinander von politischer Gemeinde und Dorfgmain nachvollziehen. Ein sehr lesenswerter Beitrag. Im fünften hier nachgedruckten Aufsatz beleuchtet Nehlsen Leben und Wirken von Fürst Karl zu Leiningen (1804-1856), des heute von der (zumal rechts-) historischen Forschung nur noch am Rande wahrgenommenen Präsidenten des ersten Paulskirchenkabinetts. Das geschieht sehr quellennah unter Heranziehung zahlreicher ungedruckter Archivalien aus dem Fürstlich Leiningischen Archiv zu Amorbach. Für die allgemeine Geschichte wird sicherlich des Portraitierten Wirken in den Reformen und Reformversuchen des Vormärz von besonderem Interesse sein. Breiten Raum nimmt in der Darstellung aber auch zu Leiningens Studium in Göttingen, vor allem bei Carl Friedrich Eichhorn, ein. Das wiederum sind für die Disziplinengeschichte interessante Passagen. Auch der sechste und letzte Beitrag ist biographisch angelegt. Er wendet sich Karl von Amira (1848-1930) und damit einem großen Vertreter deutscher (und auch bayerischer) Rechtsgeschichte und Rechtswissenschaft der Wende vom 19. auf das 20. Jahrhundert zu, der vor allem im München gewirkt hat. Mit ihm hat sich Nehlsen über Jahrzehnte befasst; und das merkt man auch dem Beitrag an. Dieser ist im Übrigen bereits zweimal – erstmals 1999 und in überarbeiteter Fassung dann unlängst noch einmal 2010 – erschienen; zu Grunde liegt diesem Neudruck sinnvollerweise die letzte Fassung vom Vorjahr. Die hier versammelten Beiträge sind jeder für sich sehr lesenswert. Eine große Zeitspanne vom frühen Mittelalter bis in das frühe 20. Jahrhundert wird von ihnen überbrückt. Da ist es nicht verwunderlich, dass eine große Linie oder ein innerer Zusammenhang abgesehen vom gemeinsamen geographischen Bezugspunkt Bayern fehlt. Die meisten dieser Beiträge sind nicht eben abgelegen erschienen und dürften in einer guten Bibliothek vergleichsweise leicht greifbar sein. Insofern kann man immer fragen, ob ein gesammelter Nachdruck nun notwendig gewesen ist. Aber das kann man auch lassen. Schön, sie nun gebündelt an der Hand zu haben.

Der Titel ist dazu angetan, in die Irre zu führen. Denn eine bayerische Rechtsgeschichte von den Anfängen bis in die Gegenwart, fortlaufend erzählt und für die Orientierung, etwa im Studium, konzipiert: das ist der vorliegende Band nicht. Aber er möchte Bausteine für eine solche Geschichte liefern, die noch immer aussteht.

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Dazu hat der Münchner Emeritus für Deutsche Rechtsgeschichte und Bürgerliches Recht sechs seiner Aufsätze aus den Jahren 1989 bis 2010 noch einmal zusammengestellt. Ihnen voran geht ein knappes Vorwort, das die Absicht dieser Wiederveröffentlichung darlegt.

Der Band eröffnet mit einem Beitrag zur Entstehung der Lex Baiuvariorum, der ältesten Rechtsaufzeichnung auf bayerischem Boden. Besonders eingehend wird dabei die Datierungsfrage behandelt; seit längerem ein heiß umkämpftes Thema in der rechtshistorischen Forschung.

Auch der zweite Beitrag befasst sich mit dem bayerischen Frühmittelalter und vor allem mit der eben erwähnten Lex. Dabei geht es um die Geschichte der Sklaverei in Bayern – ein Gebiet, auf dem sich der Verfasser nicht nur durch diesen kurzen und vergleichsweise aktuellen Beitrag (erstmals 2001), sondern vor allem durch seine noch immer wichtige Göttinger Habilitationsschrift von 1972 als einschlägiger Experte ausgewiesen hat.

Im dritten Aufsatz behandelt Nehlsen die Rolle Ludwigs des Bayern und seiner beiden prominenten Berater Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham im Tiroler Ehestreit der 1340er Jahre. Gräfin Margarete hatte 1341 ihren Ehemann Johann Heinrich von Luxemburg unschön vor die Tür gesetzt und sich im Februar des folgenden Jahres mit Ludwig dem Brandenburger, dem ältesten Sohn Kaiser Ludwigs des Bayern, vermählt. Den eherechtlichen Dimensionen dieses Skandals, der – wie viele urteilen – dem Gegenkönigtum Karls IV. und damit dem Übergang des Kaisertums an die Luxemburger überhaupt erst den Weg bahnte, und den zwei berühmten Gutachtern auf Seiten der Wittelsbacher spürt nun kenntnisreich Nehlsen nach. Leider ist hier im Neusatz eine Fußnote abhanden gekommen, sodass die nachfolgenden verrutscht sind. Hat man diesen Fehler erst einmal bemerkt, ist er schnell verschmerzt, bis dahin natürlich lästig.

Während die bisherigen – und auch die folgenden – Beiträge in größeren Sammelbänden und einschlägigen Publikationsreihen erschienen sind, hätte der fünfte Beitrag dieses Bandes tatsächlich Gefahr laufen können, weitgehend unbekannt zu bleiben, denn er nimmt ein lokalhistorisches Thema auf und ist in der Geschichte der behandelten kleinen Gemeinde erscheinen, die 1989 zu deren 1250. Jubiläum vorgelegt wurde. Schön, dass er nun noch einmal nachgedruckt wurde! Denn hier kann man dank der ausgesprochen günstigen Quellenlage sehr lebensnah die erbitterten Konflikte um die Gemeindereform Montegelas, das Gegeneinander von politischer Gemeinde und Dorfgmain nachvollziehen. Ein sehr lesenswerter Beitrag.

Im fünften hier nachgedruckten Aufsatz beleuchtet Nehlsen Leben und Wirken von Fürst Karl zu Leiningen (1804-1856), des heute von der (zumal rechts-) historischen Forschung nur noch am Rande wahrgenommenen Präsidenten des ersten Paulskirchenkabinetts. Das geschieht sehr quellennah unter Heranziehung zahlreicher ungedruckter Archivalien aus dem Fürstlich Leiningischen Archiv zu Amorbach. Für die allgemeine Geschichte wird sicherlich des Portraitierten Wirken in den Reformen und Reformversuchen des Vormärz von besonderem Interesse sein. Breiten Raum nimmt in der Darstellung aber auch zu Leiningens Studium in Göttingen, vor allem bei Carl Friedrich Eichhorn, ein. Das wiederum sind für die Disziplinengeschichte interessante Passagen.

Auch der sechste und letzte Beitrag ist biographisch angelegt. Er wendet sich Karl von Amira (1848-1930) und damit einem großen Vertreter deutscher (und auch bayerischer) Rechtsgeschichte und Rechtswissenschaft der Wende vom 19. auf das 20. Jahrhundert zu, der vor allem im München gewirkt hat. Mit ihm hat sich Nehlsen über Jahrzehnte befasst; und das merkt man auch dem Beitrag an. Dieser ist im Übrigen bereits zweimal – erstmals 1999 und in überarbeiteter Fassung dann unlängst noch einmal 2010 – erschienen; zu Grunde liegt diesem Neudruck sinnvollerweise die letzte Fassung vom Vorjahr.

Die hier versammelten Beiträge sind jeder für sich sehr lesenswert. Eine große Zeitspanne vom frühen Mittelalter bis in das frühe 20. Jahrhundert wird von ihnen überbrückt. Da ist es nicht verwunderlich, dass eine große Linie oder ein innerer Zusammenhang abgesehen vom gemeinsamen geographischen Bezugspunkt Bayern fehlt. Die meisten dieser Beiträge sind nicht eben abgelegen erschienen und dürften in einer guten Bibliothek vergleichsweise leicht greifbar sein. Insofern kann man immer fragen, ob ein gesammelter Nachdruck nun notwendig gewesen ist. Aber das kann man auch lassen. Schön, sie nun gebündelt an der Hand zu haben.

geschrieben am 01.05.2011 | 693 Wörter | 4245 Zeichen

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