ISBN | 3540711449 | |
Autoren | Wilhelm Niebling , Frank Schneider | |
Verlag | Springer | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 592 | |
Erscheinungsjahr | 2007 | |
Extras | - |
Das Werk bietet eine umfangreiche Darstellung psychischer Erkrankungen und ihrer Therapie, orientiert an der hausÀrztlichen Praxis. Inhaltlich wird die aktuelle psychiatrische Krankheitslehre und die Psychopharmakatherapie sehr kompetent vermittelt. Das Layout ist lesefreundlich. Der Anhang mit Glossar, Pharmaka- und Sachverzeichnis ermöglicht eine schnelle Orientierung.
Man könnte nun sagen, dass dieses Werk in seiner FĂŒlle alles beinhaltet, was der Hausarzt wissen sollte. Jedoch kommt in diesem Buch etwas zu kurz. Ein Hausarzt, welcher das Wesen des Arztberufes aus historischer Fundierung sehen kann, wird selbstverstĂ€ndlich auch die lebensgeschichtliche Gewordenheit und aktuelle Lebenswirklichkeit seines Patienten berĂŒcksichtigen wollen. Dieses Werk nun ist ĂŒberaus psychiatrisch, orientiert sich am ICD, empfiehlt strikt die Leitlinien fĂŒr die Behandlung. Der Titel kann daher genauso treffend âEinfĂŒhrung in die Psychiatrieâ heiĂen.
Man bekommt also den Eindruck, dass es um die Behandlung von ICD-Diagnosen geht. So wird an einem Fallbeispiel (S. 275) Klage, Befund und Therapie einer Patientin dargestellt. Indes gibt es keine Darstellung von auslösenden Bedingungen, keine Schilderung der Lebensgeschichte, der aktuellen Lebenssituation und damit kein Beispiel fĂŒr ein psychologisch nachvollziehbares Zusammenwirken. Die Patientin wird zum Fall, welcher einer Therapie âzugefĂŒhrtâ wird. In einem anderen Beispiel (S. 286) wird treffend die Entwicklung und Fixierung einer Symptomatik geschildert, welche frĂŒher als âHerzangstneuroseâ bezeichnet wurde und heute zu den âSomatoformen Störungenâ gerechnet wird. Wir erfahren, dass es sich um einen Mann im mittleren Alter handelt, alleinlebend und geschieden. Man ahnt, dass die Thematik von Alleinsein und Aushalten von Getrenntheit eine Bedeutung haben wird, aber wir erfahren darĂŒber nichts. FĂŒr einen Hausarzt, der seinen Beruf nicht auf die bloĂe ErfĂŒllung eines Versorgungsauftrages reduzieren will, sind solche Falldarstellungen nicht hilfreich. Gerade gute und erfahrene HausĂ€rzte wissen, dass ohne die Beachtung der inneren und Ă€uĂeren Konflikte ihrer Patienten eine dauerhafte Heilung nicht möglich ist.
Der Schwerpunkt des Buches liegt also auf der Psychiatrie, Pharmakotherapie und Verhaltenstherapie. Psychodynamische und ganzheitliche Konzepte kommen zu kurz. Wenn psychodynamische ErklĂ€rungsmodelle dargestellt werden, sind diese einseitig, verkĂŒrzt, manchmal unzutreffend und werden damit verstĂ€ndnisungeeignet.
Sofern man die Psychosomatik nicht auf somatoforme Störungen reduzieren will, muss man leider konstatieren, dass dieser gerade fĂŒr HausĂ€rzte auĂerordentlich wichtige Fachbereich in diesem Sammelwerk praktisch nicht vorkommt. Die im Buch auch beschriebene âPsychosomatische Grundversorgungâ heiĂt gewollt so und eben nicht âPsychotherapeutische Grundversorgungâ.
Letztlich kann man das Buch nur HausĂ€rzten empfehlen, die auf leitlinienkonforme Weise einen kassenĂ€rztlichen Versorgungsauftrag schnell und zĂŒgig erledigen wollen. FĂŒr ein vertieftes VerstĂ€ndnis der Lebenswirklichkeit und der konflikthaften inneren Welt der hausĂ€rztlichen Patienten als Grundlage fĂŒr eine abgewogene psychotherapeutische Behandlungsindikation gibt das Buch keine weiteren Hilfen. Die umfangreichen und sehr guten, auch verstĂ€ndlichen AusfĂŒhrungen zu den Psychopharmaka verfĂŒhren zum schnellen Rezeptausdruck.
geschrieben am 18.04.2010 | 428 Wörter | 3018 Zeichen
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