ISBN | 3412200255 | |
Autor | Kai Burkhardt | |
Verlag | Böhlau | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 384 | |
Erscheinungsjahr | 2007 | |
Extras | gebundene Ausgabe |
Der Name Adolf Grimme ist, wie Kai Burkhardt eingangs bemerkt, dem breiten Publikum eigentlich nur durch den nach ihm benannten Journalistenpreis bekannt. Wie es allerdings zu dieser Namensgebung kam und wer sein Andenken auf diese Weise ehren wollte – diese Antwort bleibt uns der Autor leider schuldig. Dabei herrscht hier durchaus Erklärungsbedarf. Grimme, der bei dem Philosophen Husserl studiert und, durch Weltkrieg und Revolution politisiert, sich erst der DDP, dann der SPD angeschlossen hatte, vermochte in seinen jeweils knapp zwei Jahre währenden Amtszeiten als preußischer (1930-32) bzw. niedersächsischer (1946-48) Kultusminister seine ambitionierten bildungspolitischen Ziele eben nicht durchzusetzen. Insbesondere das Projekt einer „Christusschule“ als Keimzelle einer demokratischen „Sozialaristokratie“ war wohl etwas zu exotisch, um auf politischen Rückhalt hoffen zu dürfen. Als Generaldirektor des NWDR (1948-1955) hat er der Föderalisierung des Nachkriegsrundfunks, der Gründung von NDR und WDR, ebenfalls nicht widerstehen können und gilt deshalb weithin als gescheitert. Was ihn, von dessen politischen Vorhaben keines realisiert wurde, also zum Namenspatron des bedeutendsten deutschen Journalistenpreises prädestiniert, bleibt auch nach der Lektüre von Kai Burkhardts Grimme-Biographie offen.
Der mutige Kampf des preußischen Kultusministers gegen die nationalsozialistisch dominierten studentischen Selbstverwaltungskörperschaften, gegen die Verstocktheiten einer konservativen Professoren- und Lehrerschaft umgibt Grimme mit der tragischen Aura jener aufrechten Republikaner, die der Macht der Strasse nur ihren politischen Idealismus entgegensetzen konnten und jenen demokratischen Staatsgedanken, dessen Freunde immer rarer wurden. Seine nicht immer ganz einfache Stellung als Religiöser Sozialist in einer dem Christentum zumindest ambivalent gegenüberstehenden Partei, jener enthusiastische Erweckungsglaube, der an den politischen Möglichkeiten manches Mal zuschanden wurde, werden von Burkhardt durchaus lebendig geschildert. Die Passagen über Grimmes wohl nicht widerständige, aber oppositionelle Rolle im Dritten Reich, seine Beziehungen zu Adam Kuckhoff und Arvid Harnack gehören zu den interessanteren des Buches, und die Ausführungen über die von Grimme nach Kriegsende angestrengten Prozesse, die ihn – wiederum erfolglos – vom Vorwurf des Landesverrats befreien sollten, verweisen auf den schwierigen Umgang mit der jüngeren deutschen Vergangenheit in den ersten Nachkriegsjahren. Dass die publizistische Schmutzlawine, von ehemaligen NS-Juristen angeregt, ausgerechnet von Henri Nannen ausging, jenem durchaus nicht unbelasteten Zeitgenossen, dem kein Geringerer als Grimme selbst seine Wiederzulassung als Journalist erwirkt hatte, verweist auf den hoffnungslos guten Glauben, den er mit den Wirklichkeiten des menschlichen und politischen Lebens nicht zur Deckung zu bringen vermochte.
Andere Mitteilungen eher anekdotischer Natur, wie die Liebesgeschichte des niedersächsischen Kultusministers mit der Frau des Ministerpräsidenten, lockern die Lebensbeschreibung dieses eigensinnigen Politikers in amüsanter Weise auf. Das Lesevergnügen wird jedoch durch manche sprachlichen und sachlichen Ungenauigkeiten getrübt. Da wird beispielsweise orakelhaft von Konrad Adenauers „verhängnisvoller Rolle am Ende der Weimarer Republik“ gesprochen, ohne zu erklären, worin diese Rolle bestanden haben soll. Wiederholungen, orthographische Mängel, Druck- oder Tippfehler, durchgängig falsch geschriebene Namen („Berthold Brecht“) – das alles sind Schnitzer, die durch eine gründliche Durchsicht und redaktionelle Betreuung vor Drucklegung leicht hätten behoben werden können. Wer sich allerdings für die Lebensgeschichte dieses sozialdemokratischen Bildungspolitikers und christlichen Reformers interessiert, dem sei dieses Buch empfohlen.
geschrieben am 22.12.2007 | 484 Wörter | 3446 Zeichen
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