ISBN | 3423246588 | |
Autor | Muriel Barbery | |
Verlag | dtv | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 360 | |
Erscheinungsjahr | 2008 | |
Extras | - |
"Die Eleganz des Igels" ist ein Roman, in dem zwei sehr unterschiedliche Erzählerinnen zu Wort kommen: Renée Michel ist 54 Jahre alt und arbeitet seit 27 Jahren als Concierge in einem Pariser Stadtpalais. Sie ist klein, hässlich, einsam und seit mehr als 15 Jahren Witwe. Ihre einzige Freundin Manuela ist eine einfache, portugiesische Putzfrau, mit der sie oft teeschlürfend zusammensitzt. Vor ihr muss Madame Michel nicht verbergen, dass sie alles andere als eine gewöhnliche Concierge ist, denn sie führt sozusagen ein Doppelleben: Sie spielt die einfältige Concierge, in Wirklichkeit aber ist sie sehr gebildet. In ihrer Freizeit liest sie die großen Werke der Literatur und Philosophie, ihr Kater heißt Leo, "wegen Tolstoi", doch keiner im Haus darf den Grund wissen, damit ihre Tarnung nicht auffliegt. Sie liebt „Anna Karenina“ und Kant und hat gleichzeitig einen scharfen Blick für die Welt in der sie lebt, sowie die Eigenarten der Menschen „ihres“ Hauses.
Die zweite Erzählerin in dieser Geschichte ist Paloma, die zwölfjährige und hochintelligente Tochter reicher Eltern und damit selbst „potentiell reich“, wie sie es ausdrückt. Sie wohnt mit ihrer Familie im selben Haus wie die scheinbar einfältige Concierge. Paloma hat beschlossen, gar nicht so lange zu warten, bis sie ein Teil der verlogenen Erwachsenenwelt wird. Stattdessen will sie sich an ihrem 13. Geburtstag umbringen. Als jedoch der Japaner Monsieur Ozu einzieht, geraten alle in seinen Bann und das Leben im Stadtpalais wird auf einmal aufregend anders.
Paloma und Renée erzählen jede aus ihrer Sicht von den Geschehnissen im Stadtpalais, ihren Sorgen und Nöten, von Büchern, Filmen, Mangas, aber vor allem von einem: ihrer Suche nach ihrem persönlichen Sinn im Leben und der Schönheit, die sie in kleinen Dingen wie einer vollkommenen Bewegung oder einer Kamelie auch finden.
Muriel Barbery ist mit diesem einzigartigen Buch in einer ausdrucksstarken, melodischen Sprache eine besondere Ansicht des Lebens nicht nur von Menschen in einem Pariser Stadtpalais sondern des Lebens an sich gelungen. Sie lässt ihre Protagonisten gesellschaftliche Strukturen und Werte in Frage stellen und bietet mit diesem Roman eine nachdenkliche, hintergründige Geschichte mit Tiefgang, bei der man aber auch das Lachen nicht vergisst, wenn zum Beispiel gebildet und kultiviert sein wollende Frauen aus der Oberschicht plötzlich im Wäscheladen zu Furien werden oder Hunde zufällig aufeinander treffen und ihre Besitzer in Verlegenheit bringen.
Wer sich fĂĽr Literatur und Philosophie interessiert und dazu auch noch Frankreich mag, wird dieses Buch lieben.
geschrieben am 02.10.2008 | 395 Wörter | 2258 Zeichen
„Die schönen Dinge sollten den schönen Menschen gehören“ – dies ist das Leitthema des zweiten Romans „Die Eleganz des Igels“ von der Französin Muriel Barbery. Doch wer ist wahrhaft schön?
Die 54jährige Renée und die 12jährige Paloma leben unter einem Dach und stammen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten. Neben ihrer Einsamkeit haben sie noch etwas gemeinsam: Beide sind überdurchschnittlich intelligent und versuchen, dieses vor ihrer Umwelt zu verbergen.
Renée arbeitet seit 27 Jahren als Concierge in dem herrschaftlichen Stadthaus in Paris. So oft es ihr möglich ist, zieht sie sich in ihre privaten Räume zurück und widmet sich dem Studium der Literatur, der Kunst, Musik und Philosophie – den „edlen Ablenkungen“. Vor den reichen Bewohnern des Hauses schlüpft sie in die Rolle der debilen Concierge und bemüht sich, sämtliche Klischees zu bedienen, die ihrem Beruf anhaften, um „die große universelle Illusion“ aufrechtzuerhalten. So ist sie „eine Anomalie des Systems, das sich durch sie als grotesk erweist und das sie tagtäglich leise verspottet in einem tiefsten Innern, in das niemand eindringt.“ Sie verkörpert somit die „Eleganz des Igels“: Ihr Äußeres dient dem Inneren als Schutz.
Paloma, die Tochter reicher Eltern ist ein sehr nachdenkliches Mädchen, das die Welt der Erwachsenen mit kritischen Augen betrachtet und erkennt, wie schnell man aus der Stellung und der Erscheinung eines Menschen falsche Schlüsse ziehen kann. Sie blickt mit einem pessimistisch-enttäuschten Blick auf die Welt und benennt die Dinge bei ihrem Namen. So sind für sie Altenheime nicht mehr als Luxussterbeanstalten. Sie findet, dass sich das Leben einer Erwachsenen nicht lohnt und beschließt daher den Selbstmord mit 13 Jahren.
Hinreißend komisch und zuweilen bitterböse erzählen die beiden sehr sympathischen Figuren abwechselnd in der Ich-Form, direkt an den Leser gewandt von ihrem Leben, ihren Nachbarn, von Musik und Mangas, von Gott und der Welt: Warum benennen die reichen Leute die Dinge nicht bei ihrem Namen und verwenden Euphemismen wie „dem Staub nachstellen“? Ist eine Katze nicht bloß ein modernes Totem? Welchen Sinn sollte sie sonst haben?
Die Begegnung mit dem Japaner Kakuro Ozu, der in das Stadtpalais einzieht, verändert Renées und Palomas Leben. Kakuro Ozu unterscheidet sich grundlegend von seinen oberflächlichen Nachbarn. Er erkennt den wahren Menschen unter der Fassade und so entwickelt sich eine rührende Freundschaft zwischen den drei doch sehr verschiedenen Personen.
Muriel Barbery hat eine großartige Gesellschaftssatire geschrieben. Vielfach klingen philosophische Fragen an und es gibt zahlreiche Verweise auf bedeutende Werke der Literatur wie „Krieg und Frieden“ – nebenbei bemerkt das Lieblingsbuch der Concierge. Der Leser darf bei Teezeremonien und rührenden Gesprächen über den Sinn des Lebens dabei sein. Manche Fremdwörter hemmen den Lesefluss und manchmal fällt es schwer, den philosophischen Gedanken zu folgen, doch wer sich ein wenig Zeit für dieses Buch nimmt, wird schnell bemerken, dass Muriel Barbery mit großer Liebe zum Detail eine Geschichte über Menschen erzählt, die ohne viel Handlung auskommt. Es sind die kleinen Geschehnisse, die täglichen Ereignisse, die sie durch die Augen Renées und Palomas auf wundervolle Art entlarvt.
Das Buch ist jedem zu empfehlen, der Lust auf tiefgründige Gedanken hat und die Dinge gern von zwei Seiten betrachtet. Auf dass wir alle lernen, das „Immer im Nie“ zu verfolgen.
Der zweite Roman von Muriel Barbery wurde zu dem literarischen Bestseller des Jahres 2007 in Frankreich und in 31 Sprachen ĂĽbersetzt und vielfach ausgezeichnet. (U.a. Prix Georges Brassens 2006, Prix des libraires 2007, Prix Rotary International)
geschrieben am 20.12.2008 | 556 Wörter | 3242 Zeichen
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